Senzeprofil: Ultras
Intro
Wo früher Fanclubs, ‘Kuttenträger’ oder ‘Hooligans’ die Szenerie bestimmten, ziehen heute die Ultras mit farbenprächtigen Kurvenshows und lautstarken Gesängen die Blicke auf sich. Die Bezeichnung ‘Ultras’ lässt sich am besten mit dem Begriff Extremfans übersetzen. Ultras sind aufgrund ihrer Inszenierungen im Stadion deutlich präsenter als andere Fangruppierungen, und der Einzelne investiert in der Regel erheblich mehr zeitliche und finanzielle Ressourcen als der ‘normale’ Fußballfan, um das von ihm favorisierte Team zu unterstützen.
Das zentrale Interesse der ersten deutschen Ultragruppen bestand darin, die Stimmung in den Fanblöcken der deutschen Fußballstadien zu verbessern. Zusätzlich wenden sich die Ultras mittlerweile verstärkt gegen eine fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballsports sowie gegen Einschränkungen der Rechte von Fußballfans durch Vereine, Ordnungsdienste und Polizei.
Häufig werden die Ultras in Medien und öffentlicher Wahrnehmung mit ‘Hooligans’ und Gewaltbereitschaft assoziiert. Tatsächlich betont der allergrößte Teil der deutschen Ultraszene jedoch, man betrachte sich nicht als Gewalt suchend, setze sich aber bei körperlichen Übergriffen auf die eigene Gruppe entsprechend zur Wehr. Demgegenüber klagen die meisten Ultras, die Polizei versuche ihnen ein Stigma der Gewaltbereitschaft anzuheften, da diese nach dem Zerfall der klassischen Hooliganszene ein neues Betätigungsfeld im Rahmen von Fußballspielen brauche.
History
Die europäische Ultraszene entstand in den späten sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Italien. Im Zusammenhang mit den linksgerichteten Studentenprotesten und den Entwicklungen im ‘heißen Herbst’ der Arbeiterbewegung 1969, beschlossen jugendliche Fußballfans die Fankurvenkurven der italienischen Fußballstadien zu nutzen, um ihre ablehnende Haltung gegen soziale Ungerechtigkeit kundzutun.
Die erste organisierte Ultragruppierung war die 1969 gegründete ‘Fossa dei leoni’ (Löwengrube) vom AC Mailand. In der Folge entstanden im ganzen Land ähnliche Gruppen, wobei die (Selbst-)Etikettierung der Fans mit dem Begriff ‘Ultras’ zum ersten Mal auf einem Transparent in der Kurve von Sampdoria Genua zu sehen war. Diese Bezeichnung wurde alsbald von der gesamten neu entstandenen Jugendkultur aufgegriffen, um sich von herkömmlichen Fußballfans (‘Tifosi’) abzugrenzen.
Die Gesänge wurden fortan von einem Vorsänger (‘Capo’) mit Hilfe eines Megaphons organisiert und geleitet. Neu waren auch das Verwenden von Pyrotechnik im Fanblock sowie die Organisation aufwändiger Choreografien. Sukzessive wurde auf diese Weise der Auftritt der Fanblöcke selber zum Wettbewerb untereinander.
Zunächst solidarisierten sich die meisten Ultragruppen mit den Idealen der sozialistischen Bewegung und des linken Widerstands. In der Folgezeit formierten sich jedoch auch Gruppierungen, die rechtes Gedankengut in die Stadien brachten. Dies war neben anderen Faktoren (wie z. B. regionalen Konflikten oder traditionellen Feindschaften) einer der Hauptgründe für das Entstehen von starken Rivalitäten unter den verschiedenen Gruppierungen, welche nicht selten in gewalttätigen Auseinandersetzungen gipfelten. Die Behörden reagierten auf diese Umstände mit einer massiven Verstärkung der Polizeipräsenz im Umfeld von Fußballspielen, was jedoch keine Entschärfung der Situation zur Folge hatte, sondern zu deren Eskalation führte. Seit Beginn der 1980er Jahre ist sukzessive eine fortschreitende Entpolitisierung der italienischen Ultraszene zu beobachten, so dass sich weite Teile der Szene heute weder als politisch motiviert noch als gewaltbereit darstellen.
Die Ultrawelle schwappte erst gegen Mitte der 1990er Jahre auch in deutsche Fußballstadien über. Hatte sich bis dato die hiesige Fanszene traditionell an englischen Vorbildern orientiert, so inspirierten die beeindruckenden Bilder aus Italien immer mehr junge Fans, sich der ‘Ultramanie’ zu verschreiben. Seit Ende der 1990er Jahre werden nahezu alle deutschen Fankurven durch Ultragruppen dominiert. Äußerlich kaum von ihren südeuropäischen Vorbildern zu unterscheiden, distanziert sich der Grossteil der Szene hierzulande allerdings von fussballfremden politischen Meinungsäußerungen im Stadion. Die Art und Intensität der Unterstützung der eigenen Mannschaft sowie die aktive Meinungsäußerung zur Vereins- und Sportpolitik, ist jedoch stark am italienischen Vorbild orientiert.
Literatur
Strukturen
Im Gegensatz zu herkömmlichen Fanclubs sind die deutschen Ultragruppierungen in der Regel keine offiziell eingetragenen Vereinigungen. Obwohl die Anhänger häufig einen regelmäßigen finanziellen Beitrag zu leisten haben, handelt es sich bei Ultragruppen eher um informelle Zusammenschlüsse. Allerdings ist auch zu beobachten, dass viele (zumeist ältere) Ultras gleichzeitig Angehörige eines traditionellen Fanclubs sind.
Die Ultras sind eindeutig straffer organisiert als herkömmliche Fanclubs oder Hooligans, was nicht zuletzt auf den stark ausgeprägten internen Zusammenhalt zurückzuführen ist. Die meisten Gruppierungen sind hierarchisch strukturiert. Die akustische Unterstützung im Stadion wird von einem Vorsänger mit Hilfe eines Megaphons geleitet, der oftmals eine bedeutende Stellung innerhalb der gruppeninternen Hierarchie einnimmt, jedoch nicht zwangsläufig zur ‘Gruppenführungsriege’ gehören muss. Grundsätzlich sind die Hierarchien ‘natürlich’ gewachsen und somit flexibel. Wer viel Engagement in die Gruppe investiert, steigt rasch im Gefüge auf und kann infolgedessen den grundsätzlichen Kurs der Gruppe maßgeblich mitbestimmen.
Fakten
Expertenschätzungen zufolge gibt es in Deutschland zwischen 5.000 und 10.000 Ultras. Hinsichtlich der Größe unterscheiden sich die lokalen Ultra-Gruppierungen stark voneinander: So gibt es kleine Gruppen, die gerade einmal fünf Anhänger zählen, sowie Gruppen, die bis zu 1.000 Anhänger haben. Zu den ältesten und auch zahlenmäßig stärksten Gruppen zählen z. B. die Ultras Nürnberg mit ca. 1.000 Anhängern sowie die Ultras Frankfurt mit über 500 Anhängern.
Entstanden die ersten Gruppen im Umfeld von Profifußballvereinen, so gibt es inzwischen auch in den unteren Amateurklassen Ultragruppen. Das Alter der Anhänger liegt in der Regel zwischen 16 und 25 Jahren, wobei es durchaus auch ältere Anhänger gibt, die teilweise schon lange in den Fanszenen aktiv sind.
Die Ultraszene ist eindeutig männlich dominiert. Es gibt allerdings auch weibliche Szenegänger und mittlerweile haben sich sogar einige ausschließlich weibliche Ultra-Gruppen etabliert (z. B. Girls United/Fortuna Düsseldorf oder Girls Bremen/Werder Bremen). Häufig handelt es sich hierbei jedoch um Untergruppen etablierter Ultra-Gruppierungen.
Relations
Das Beziehungsgeflecht der deutschen Ultraszene ist von großer Komplexität. So gibt es diverse freundschaftliche Verbindungen zwischen verschiedenen Gruppen, aber mindestens genau so viele Rivalitäten oder sogar Feindschaften. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Freundschaften basieren beispielsweise auf gemeinsamen Erlebnissen oder Unternehmungen, auf ähnlichen Einstellungen und Gesinnungen oder einfach auf traditionellen Fanfreundschaften. Viele deutsche Ultras pflegen Kontakte zu italienischen oder französischen Ultragruppierungen. Auf diese Weise finden immer wieder neue Anregungen und Ideen den Weg in die hiesige Szene. Nicht immer werden die Freundschaften jedoch von der Gesamtheit der Gruppe getragen. Oftmals bleiben die Kontakte auf Einzelpersonen beschränkt.
Anders gestaltet sich dies bei den Rivalitäten, denn diese werden typischerweise von der ganzen Gruppe getragen. Die Ursachen für die Rivalitäten sind ebenfalls vielfältig: Sie können beispielsweise aus konkreten Anlässen, wie aus einem ungünstig verlaufenen Aufeinandertreffen zweier Gruppen am Rande eines Spiels, resultieren. Sie können aber auch darauf basieren, dass bereits bestehende, traditionelle Abneigungen weitergepflegt werden. Ultragruppen so genannter ‘Lokalrivalen’ werden grundsätzlich abgelehnt. Aber auch eine ‘falsche’ Ultra-Mentalität kann die Ursache tiefer Verachtung sein. Diese Verachtung wird dann auf den Rängen mittels Schmähgesängen oder entsprechend beschrifteten Transparenten zum Ausdruck gebracht. Selten kommt es jedoch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen ‘verfeindeten’ Gruppen.
Die aktive Zugehörigkeit zu anderen Szenen wird schon allein durch den hohen Zeitaufwand, den das Ultra-Sein in Anspruch nimmt, erheblich erschwert. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Ultras mit verschiedenen musikzentrierten Szenen sympathisieren. Die teilweise recht gut gemachten Graffitis, die in letzter Zeit vermehrt in der Ultraszene zu beobachten sind, lassen den Schluss zu, dass Überschneidungen mit der Graffiti-Szene vorhanden sind.
Fokus
Fußball und die Qualität des eigenen Auftretens sind das zentrale Thema der Ultras. Viele Szenegänger räumen den Gruppenaktivitäten – sowohl in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht – Vorrang gegenüber den übrigen Alltagsaktivitäten ein. Für die Ultras steht nicht nur das Ergebnis des Spiels im Vordergrund, sondern auch das Repräsentieren der eigenen Gruppe, welches vor allem durch Anfeuern (‘support’) der eigenen Mannschaft – sei es akustisch durch Singen/Schreien oder optisch mittels mehr oder weniger aufwändiger Choreografien – vollzogen wird.
Des Weiteren bringen sich Ultras aktiv in das Vereinsleben ein. In diesem Zusammenhang beziehen sie Stellung zur jeweiligen Vereinspolitik, wehren sich gegen die zunehmende Kommerzialisierung ‘ihres’ Sports und setzen sich für die Rechte der Fans ein. Ein populärer Slogan der Ultras lautet: ‘Gegen den modernen Fußball!’
Das Gruppengefühl ist bei den Ultras stark ausgeprägt. Dies manifestiert sich insbesondere bei den wöchentlich stattfindenden Treffen der Ultragruppen und in der gemeinsamen Anreise zum Spiel. Allen Gruppen gemeinsam ist der Protest gegen Repressionen durch Polizei und Ordnungsdienste, denen sich die Ultras ausgesetzt sehen. So werden sie auf Reisen zu Spielen oftmals in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, indem sie beispielsweise bei Auswärtsspielen vom Bahnhof direkt ins Stadion geleitet werden. Darüber hinaus werden sie häufig von Polizei und Ordnungskräften nach Waffen und Pyrotechnik durchsucht und an der Verwendung ihrer szenetypischen Devotionalien (Fahnen, Transparente, Doppelhalter etc.) gehindert. Das heißt, die Szene steht sowohl bei der Anreise als auch im Stadion unter Beobachtung von (szenekundigen) Beamten und Zivilpolizisten. Regelverstöße führen nicht selten zu mehrjährigen Stadionverboten. Diese Praxis wird von den Ultras als Instrument der Vereine und der Polizei betrachtet, mit dessen Hilfe man sich ‘unbequemer’ Fans zu entledigen sucht.
Einstellung
Die Ultras zeichnen sich durch eine vollständige Identifikation mit ihrer Rolle als Fans aus. Das hat zur Folge, dass das Ultra-Sein nicht als reines ‘Feierabendhobby’ begriffen wird. Vielmehr definiert sich der Einzelne auch außerhalb von Szenezusammenhängen als Ultra und identifiziert sich stark mit den Ideen und Idealen der Szene.
Ultras unterscheiden sich von der herkömmlichen Fanszene dergestalt, dass sie den Aktivitäten des eigenen Vereins nicht unkritisch gegenüberstehen, vielmehr hinterfragen und kritisieren sie die Vereinspolitik permanent. Vielfach versuchen sie auch über die Mitgliedschaft im Verein und dem daraus resultierenden Stimmrecht auf der Jahreshauptversammlung aktiv die Geschicke des Clubs mitzubestimmen.
Generell begreifen sich die Ultras als eine Art Protestbewegung. Ihr Protest richtet sich gegen aktuelle Entwicklungen im modernen Profifußball. Dieser werde immer mehr von kommerziellen und medialen Interessen gelenkt, welche meistens konträr zu den Interessen der aktiven Fußballfans verlaufen, die das Spiel im Stadion verfolgen. Aktuell ist beispielsweise zu beobachten, dass die Anstoßzeiten nach den Wünschen der Fernsehsender ausgerichtet, Stehplätze in (teurere) Sitzplätze umgewandelt und Stadien nach Sponsoren (um-)benannt werden, wodurch sich nach Ansicht der Ultras der Fußball immer weiter von den Fans entferne.
Darüber hinaus stellt die Frage, ob fußballfremde politische Themen im Stadion eine Rolle spielen sollten, immer wieder einen Streitpunkt in der Szene dar. Zwar spricht sich der Großteil der Ultras eindeutig dagegen aus, dennoch sind mehr und mehr Gruppen zu beobachten, die öffentlich zu politischen und gesellschaftlichen Themen Stellung beziehen. In Deutschland sind solche Gruppierungen, die sich eindeutig als politisch definieren, überwiegend im linken politischen Spektrum zu verorten. Allerdings sind – insbesondere in jüngster Zeit – bei einigen Ultra-Gruppen vermehrt auch rechte Symboliken und Meinungsäußerungen zu beobachten.
Lifestyle
Ultra zu sein bedeutet, dass man nicht nur im Fußballstadion, sondern auch im außer-szenischen Alltag als Ultra erkennbar ist und sich mit den in der Szene vertretenen Meinungen, Einstellungen und Haltungen identifiziert. Das heißt der ‘Ultra-Gedanke’ ist bei Szenegängern allgegenwärtig. Im außer-szenischen Alltag sind Ultras oftmals durch das (meistens dezente) zur Schau stellen des Gruppenlogos auf der Kleidung oder auf Pins zu erkennen.
Nicht nur, aber eben auch aufgrund des enormen Zeitaufwandes, den Ultras für ihr Szeneengagement aufwenden, ergibt es sich zwangsläufig, dass in vielen Ultragruppierungen Freundschaften unter den Szenegängern entstehen, die über den Fußballkontext hinaus Bestand haben.
Symbole
Symbole (und vor allem deren Zurschaustellung) spielen in der Ultraszene eine äußerst wichtige Rolle, da sie neben Schlachtrufen, Gesängen und Choreografien die einfachste Möglichkeit darstellen, als Gruppe Präsenz zu zeigen und sich gleichzeitig von anderen Gruppen abzugrenzen. So hat jede Ultragruppe ein eigenes Logo, welches z. B. auf Bannern, Fahnen, Pins, Schals, Mützen und diversen Kleidungsstücken zur Schau gestellt wird, um Gruppenzugehörigkeit zu demonstrieren.
Neben dem Gruppenlogo werden auch Symbole aus anderen Kontexten verwendet, mit deren Hilfe Ultras ihre Einstellungen, Meinungen und Haltungen transportieren. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass sich Ultras gerne linker oder antikonservativer Symboliken und Metaphoriken bedienen. So sind oftmals fünfzackige Sterne, das Konterfei Che Guevaras, stilisierte Hanfblätter oder die Farben der Rastafarian-Bewegung (Rot-Gelb-Grün) zu sehen. Weitere beliebte Motive stellen Figuren aus den Zeichentrickserien ‘Die Simpsons’ und ‘South Park’ dar. Meinungen und Einstellungen werden gerne bildhaft dargestellt: So sind beispielsweise ‘Verbotsschilder’ für Polizisten ebenso beliebte Motive, wie ein auf welche Art auch immer ‘geschändetes’ Wappen des Erzrivalen.
Neben Kleidung, Fahnen und Doppelhaltern zeugen vor allem selber gestaltete Sticker von der Präsenz der Ultragruppen. Auch hier finden sich viele der beschriebenen Symbole wieder. Sie verzieren mittlerweile vielerorts das Stadtbild und markieren somit das ‘Territorium’ der Gruppen. Auffällig ist, dass sich die Ultragruppen bei der Auswahl ihrer Symbole selten am Wappen des eigenen Clubs orientieren. Auch hierin zeigt sich die kritische Distanz, welche Ultras den Clubs gegenüber einnehmen, denen sie anhängen.
Rituale
Das Wirken der Ultras ist durchzogen von Abläufen, die Ritualcharakter aufweisen. Rituale erfüllen verschiedene Funktionen: So werden bei der Ankunft an einem auswärtigen Spielort z. B. in der Regel Schlachtrufe angestimmt, die für eine symbolische Aneignung des gegnerischen Terrains stehen und den Zusammenhalt der Gruppe stärken (z. B. ‘Hurra, hurra, XY ist da!’; ‘Hier regiert XYZ!’ oder ‘Kniet nieder ihr Bauern, XY ist zu Gast!’).
Die Aktionen im Stadion dienen zum einen der Anfeuerung des eigenen Teams, zum anderen dienen sie aber auch der Darstellung der eigenen Gruppe. In einem durch Zaunfahnen und Banner ‘markierten Territorium’ lassen sich vor allem Gesänge, das Schwenken von Fahnen, das Präsentieren von Doppelhaltern, sowie rhythmisches Klatschen und gemeinsames Hüpfen regelmäßig beobachten. Der Ritualcharakter dieser Abläufe wird vor allem daran deutlich, dass Aktionen häufig an bestimmte Situationen gekoppelt sind (z. B. Choreografien zum Einlaufen der Mannschaften, festgelegte Schlachtrufe zu Beginn des Spiels oder bestimmte Gesänge nach einem Tor etc.).
Ein äußerst beliebtes Ritual in der Ultraszene stellt darüber hinaus das Abbrennen bengalischer Feuer dar. Allerdings wurde jegliche Verwendung von Pyrotechnik in den Stadien der Profiligen vom DFB aus Sicherheitsgründen untersagt, so dass dieses Stilmittel nur noch äußerst selten eingesetzt wird. Vermehrt zu verzeichnen ist stattdessen in letzter Zeit die Verwendung von Rauchpulver. Dieses (ebenfalls verbotene) Mittel der optischen Darstellung ist zwar in der Szene nicht annähernd so beliebt wie bengalische Feuer, jedoch sind die Rauch erzeugenden Substanzen offensichtlich einfacher durch die Kontrollen zu schmuggeln, und das Risiko als Verursacher identifiziert zu werden ist geringer.
Events
Neben den im Mittelpunkt stehenden Auftritten im Stadion werden zwar vereinzelt (szene-interne) Parties organisiert, doch generell sind andere mehr oder weniger regelmäßig stattfindende Events in der Szene rar.
Bei (den wenigen) außeralltäglichen Zusammenkünften der Szenegänger, stehen meist die Probleme der Szene im Fokus. So wurde am 22.5.2002 in Berlin erstmalig eine Demonstration von Fußballfans verschiedener Vereine durchgeführt. Die Veranstaltung stand unter dem Motto ‘Reclaim the game – wir holen uns das Spiel zurück’ und wurde von den Veranstaltern mit ca. 2.500 Teilnehmern als großer Erfolg betrachtet. Die letzte Demonstration dieser Art fand am 15.6.2005 in Frankfurt am Main statt und sollte unter dem Motto ‘Getrennt bei den Farben, vereint in der Sache’ beweisen, dass Fußballfans mehr sind als ein potentieller Störfaktor.
Immer mehr deutsche Ultragruppierungen nehmen auch an der jährlich stattfindenden ‘antirassistischen Fußball-Weltmeisterschaft’ im italienischen Montecchio als teil. Dieser Umstand wird von einigen politisch orientierten Gruppen jedoch kritisiert, da viele der neuen Teilnehmer zwar grundsätzlich antirassistisch eingestellt sind, darüber hinaus jedoch jegliches Einbringen politischer Inhalte in den Fußballkontext ablehnen. Dadurch, so die Kritiker, verwässere der Grundgedanke der Veranstaltung zunehmend. Nichtsdestotrotz ist ‘Montecchio’ mittlerweile das größte Treffen europäischer Ultragruppierungen (und eben nicht nur, um gemeinsam bzw. gegeneinander Fußball zu spielen).
Treffpunkte
Ultras treffen sich im Stadion. Hier verdichtet sich Woche für Woche das Szeneleben. Der Platz der Ultragruppen ist der Fanblock, welcher in der Regel in den Hintertorbereichen angesiedelt und traditionell ein Stehplatzbereich ist. Ultras investieren weit mehr in ihre Fußballbegeisterung als ‘normale’ Zuschauer. Da die Gruppen auch bei den Auswärtsspielen ihres Teams anzutreffen sind, verbringen sie einen nicht unerheblichen Teil ihrer Zeit in Bussen oder Zügen, wobei diese gemeinsamen Reisen einen wichtigen Teil des Gruppenlebens darstellen.
Des Weiteren müssen Aktionen und Choreografien geplant und vorbereitet werden. Zu diesem Zweck treffen sich viele Gruppen mindestens einmal in der Woche. Teilweise können für diese Zusammenkünfte Räume von Fanprojekten genutzt werden. Wo solche Möglichkeiten nicht bestehen, dienen beispielsweise Jugendzentren oder Kneipen als Treffpunkte. Diese Treffpunkte werden an Heimspieltagen auch genutzt, um letzte Vorbereitungen vor dem Spiel zu treffen, und um nach dem Spiel zusammen zu feiern.
Werden große Aktionen, wie z. B. überdimensionale Fahnen zum Einsatz vorbereitet, so nutzen viele Gruppen zum Basteln große Hallen oder sogar Flugzeughangars. Einige Vereine stellen auch Räume im Stadion zur Verfügung oder lassen die Ultras im Innenraum des Stadions ihre Vorbereitungen treffen. Wenn derartige Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, treffen sich einige Gruppen auch an geeigneten alternativen Plätzen wie z. B. unter Autobahnbrücken.
Medien
Medien spielen in der deutschen Ultraszene eine immens wichtige Rolle. Fragen wie: ‘Wer liefert den besten Support?’, ‘Wer hat den größten Auswärtsanhang oder ‘Wer hat die originellste Choreografie?’, lassen die Unterstützung der Mannschaft zu einem eigenen Wettstreit auf den Rängen werden, der mindestens genauso wichtig ist wie das eigentliche Spiel.
Um die im Stadion geleisteten Aktionen nicht nur den ‘gegnerischen’ Ultras und den übrigen Fans zu präsentieren, betreiben die meisten Ultragruppen in Deutschland mehr oder weniger professionell gestaltete Websites, auf denen u. a. Bilder und Videos des in der Kurve Gebotenen zu betrachten sind. Die Resonanz auf die Seiten ist groß: Bis zu einer Million Besucher pro Monat zeugen von regem Interesse nicht nur seitens der eigenen Fans. In der Regel bieten die Internetauftritte darüber hinaus Informationen über Geschichte und Selbstverständnis der Gruppen, Nutzer können sich über anstehende Termine informieren und vielfach auch gruppeneigene Merchandiseprodukte im Internetshop bestellen. Ebenfalls großer Beliebtheit erfreuen sich websites-bezogene Internet-Foren. Hier diskutieren die Szenegänger über Fußball, Choreografien oder aktuelle Geschehnisse aus der Fanszene. Darüber hinaus werden Rivalitäten mit anderen Ultra-Gruppen verbal ausgetragen. Außerdem verfügen die Seiten in der Regel über einen geschlossenen Userbereich, in dem Interna besprochen oder geheime Choreografien geplant werden.
Neben im Stadion verteilten Infoflyern bringen mancherorts einzelne Szenegänger von Ultragruppierungen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Fanzines heraus, in denen neben (schwarz/weiß-)Fotos vor allem Berichte von den Spielen und Auswärtsfahrten sowie aktuelle Informationen aus der Fanszene zu finden sind. Szene-externe Fanzines sind die regelmäßig erscheinenden Publikationen ‘Stadionwelt-Magazin’ und ‘Erlebnis Fußball’. In diesen werden zum einen Bilder der besten Choreografien der jeweils letzten Wochen abgedruckt. Zum anderen werden (neben der Berichterstattung über fanpolitische Themen und Neuigkeiten aus den deutschen und internationalen Fußballstadien) einzelne Fanszenen ausführlich vorgestellt und beleuchtet.
Dem Medium Fernsehen stehen die Anhänger der Ultraszene skeptisch gegenüber: Entgegen der öffentlichen Meinung stellt aus der Sicht vieler Ultras und anderer aktiver Fans das Fernsehen eine der größten Bedrohungen für eine lebendige Fankultur dar. Da sich die Anstoßzeiten immer mehr nach den Wünschen der TV-Anstalten richten, werden beispielsweise Planung und Durchführung von Auswärtsfahrten immer mehr erschwert. Und da die Ultras bei den Spielen ihrer Mannschaft zumeist im Stadion zugegen sind, spielen die Live-Übertragungen der Partien ‘ihrer’ Vereine kaum eine Rolle für sie.