Senzeprofil: Techno
Intro
Immer wieder tauchen jugendkulturelle Phänomene auf, die das Bild und den Zeitgeist ganzer Generationen prägen. Die Techno-Szene leistet dies für die 1990er Jahre. Im Gegensatz zu vielen Darstellungen in den Medien hat sich die Techno-Szene auch nicht überlebt – sie ist agil wie eh und je.
Mit dem Aufkommen von Techno sind große Missverständnisse einhergegangen. Über Technoide heißt es etwa immer wieder, sie seien sprachlos, egoistisch und unpolitisch. Dieses Urteil beruht auf überkommenen Vorstellungen davon, was eine Jugendkultur auszumachen hat, insbesondere auf der weit verbreiteten Glorifizierung der 1968er-Generation und ihrer Werte.
Die Werte der Technoiden, das Kultur gewordene Bedürfnis nach Austausch, Gemeinsamkeit und Veränderung, wurden vielfach als gesellschaftlich irrelevant eingestuft. Das Fehlen organisierten Streitens für diese Kultur besorgte den Rest: Techno galt vielen als Bewegung derer, die sich dem gesellschaftlichen Engagement verweigern, um sich der privaten Lust hinzugeben.
History
Allgemein wird der Ursprung der Techno-Szene auf Anfang der 1980er Jahre in Chicago datiert. ‘House’ hieß ein neuer Musikstil, der seinen Namen in Anlehnung an den legendären Disco-Club ‘Warehouse’ bekommen hatte. In den 1990er Jahren verbreitete sich elektronische Tanzmusik in unzähligen Varianten (House, Techno, Acid, Jungle, Drum’n’Bass, Electro usw.) weltweit und wurde zeitweise als musikalische Jugendleitkultur wahrgenommen.
Großen Anteil daran hatte die Loveparade in Berlin, die zu Spitzenzeiten mit 1,5 Mio. Besuchern aufwarten konnte und als Keyevent der Techno-Szene rund um den Globus ‘Nachahmer’ fand. Nach dem vorläufigen Ende der Berliner Loveparade im Jahr 2004 ist Techno – der Begriff hat sich inzwischen als Oberbegriff für die verschiedenen Spielarten elektronischer Tanzmusik eingebürgert – aus dem Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Dies hat sich durch das Comeback der Loveparade im Jahr 2006 wieder geändert. Ob mit oder ohne Parade – die feste Anhängerschaft hat sich nicht reduziert – nach wie vor wird eine unüberschaubare Menge elektronischer Dancetracks produziert und weltweit von DJs aufgelegt. Wichtigstes künstlerisches Zentrum ist Deutschland und dort wiederum Berlin, das Produzenten nachgerade magnetisch anzieht.
Die Verbilligung von Speichermedien und Rechnerleistung eröffnet Jahr für Jahr immer mehr Nachwuchsproduzenten die Möglichkeit, für musikalischen Nachschub zu sorgen. Vielfach sind deshalb Techno-Clubabende nicht mehr allein in der gestalterischen Hand der klassischen, ausschließlich mit Fremdmaterial arbeitenden DJs. Headliner sind zumeist Liveacts, die für ihre Performance eigene Soundspuren auf dem Laptop oder mit anderen, teils analogen Geräten, mixen. Und wenn DJs auflegen, dann sind es in den Clubs, die etwas auf sich halten, inzwischen fast ausnahmslos Producer, also DJs, die auch eigene Musik produzieren und sich in erster Linie darüber definieren.
Literatur
Strukturen
Die Techno-Szene weist drei Arten horizontaler Ausdifferenzierungen auf: Entlang stilistischer Merkmale (Avantgarde-Szene, Szenen verschiedener Musikstile – wie Gabber, Trance, Drum’n’Bass, House usw. – und Partyszene), zweitens entlang lokaler Affinitäten (Münchner Szene, NRW, Berlin usw.) und drittens entlang bestimmter Kommunikationszentren (Clubs, DJs, Veranstalter).
Vertikale Ausdifferenzierungen sind in der Techno-Szene recht ausgeprägt. Wer Parties organisiert, Clubs betreibt, Labels besitzt oder managed, Musik produziert, Musik macht bzw. erzeugt usw., der gehört einer privilegierten Gruppe an. Diese wiederum vielfach in sich ausdifferenzierte und abgestufte Leistungselite ist sozusagen der ‘Motor’ der Techno-Szene.
Lokale Affinitäten haben sich im Laufe der Zeit immer deutlicher herausgebildet: So ist der Mitte der 1990er Jahre verbreitete Trance-Sound fast nur noch in Großraumdiscotheken im ländlichen Raum und z. B. verstärkt im Großraum Hannover zu hören. ‘Progressive Trance’ erfreut sich fast ausschließlich in Nordrhein-Westfalen ungebrochener Beliebtheit. Im Bereich der Mode herrscht in den Clubs in Nordrhein-Westfalen noch eine deutlich markenorientiertere Kleidung vor, in Berlin hingegen spielt dies eine weitaus geringere Rolle.
Fakten
Aktuelle Erhebungen zur Größe der Techno-Szene liegen nicht vor. Die Shell-Jugendstudie 1997 ging von 1 bis 1,5 Mio. regelmäßigen Szenegängern und 2 bis 2,5 Mio. ‘Gelegenheitstechnoiden’ aus. Diese Zahlen erscheinen für den heutigen Stand eher zu tief gegriffen: Die Züricher Streetparade etwa wartet jährlich mit deutlich über 1 Mio. Besucher auf und an Sommerwochenenden sind allein bei den namhaften Festivals je 25.000 bis 50.000 Besucher registriert. Dass ein Event wie die Streetparade es vermag, etwa ein Drittel des weiteren Szenekreises zu mobilisieren, erscheint unwahrscheinlich, weshalb die Zahl der ‘Technoiden’ eher höher anzusetzen sein dürfte.
Dies liegt auch an der geänderten Alterstruktur der Szenegänger. In den 1990er Jahren war Techno eine Jugendkultur. Inzwischen wird Techno zwar von den Massenmedien noch als solche bezeichnet, hat sich aber entscheidend gewandelt. Die Shell-Jugendstudie taxierte den Anteil der unter 20-jährigen 1997 noch auf zwei Drittel. Inzwischen liegt der altersmäßige Schwerpunkt bei den Anfang 20-jährigen. Nicht wenige Szenegänger der 1990er sind Techno treu geblieben, so dass zumindest in den großstädtischen Clubs Besucher über 30 zum Alltag gehören.
Die Aktiven der Szene sind unterdessen häufig jenseits der 40 angelangt – dass sie ihren Anteil ohne Verlust an Kredibilität beim Techno-Nachwuchs leisten, spricht ebenfalls dafür, dass sich Techno von einer Jugendszene zu einer an bestimmten kulturellen Anknüpfungspunkten orientierten Szene gewandelt hat, für die das Alter der Macher und Konsumenten nur untergeordnete Bedeutung hat. Damit vollzieht Techno eine ähnliche Entwicklung wie Rock, der einst als Jugend- und Protestkultur eingeschätzt wurde und sich nun in ausverkauften Hallen mit 60-jährigen Stars vor einem 50-jährigen Publikum präsentiert.
Relations
Anderen Szenen begegnen Technoide im Regelfall mit Gleichgültigkeit. Eine wirklich bedeutende Verbindung zu anderen Szenen existiert also nicht. Distinktion findet in zwei Richtungen statt: Zum einen gegenüber Szenen bzw. Gruppen, die an Techno-Locations auftauchen und mehr oder weniger absichtlich szene-interne Verhaltenskodizes übertreten. Dies bezieht sich vor allem auf (bestimmte) ‘Ausländer’, deren Machismo dezidiert missbilligt wird, eher selten (in Berlin z. B. aber häufig) auf gewaltbereite, ideologisch ‘rechts’ stehende Jugendliche. Die zweite Grenze wird des Öfteren gegenüber solchen Stilrichtungen in der Musik gezogen, die Fragmente von Techno (v. a. den 4/4 Takt, die Liebe zum exzessiven Tanz) ‘unzulässig’ kommerzialisieren. So wird etwa ‘technoisierte’ Popmusik (z. B. ‘Scooter’) als ‘Deppentechno’ oder ‘Kirmestechno’ bezeichnet.
Fokus
Techno ist ein Sammelbegriff für verschiedene Phänomene: von Vorstellungen über eine bestimmte Musikrichtung über die Bezeichnung für einen bestimmten Lebensstil. Wie kaum bei einer Szene zuvor steht Tanzen neben der Musik im Mittelpunkt des Interesses der Technoiden.
Drogen spielten und spielen in der Techno-Szene eine große Rolle. Das kulturelle ‘Gesamtgeschehen’ in der Techno-Szene ist ohne Zweifel vom Konsum verschiedener Drogen geprägt, die (jedenfalls vorübergehend) die körperliche Leistungsfähigkeit, die Erlebnisintensität und die Bereitschaft zu ‘positiven’ Sozialkontakten befördern. Es ist auch geprägt vom – unseren Beobachtungen zufolge lange Zeit begrenzten, neuerdings aber zunehmenden – Konsum der gesamtgesellschaftlich approbierten Droge Alkohol und dem Konsum von Nikotin. Das Partygeschehen ist jedoch nicht flächendeckend geprägt vom Konsum illegaler Drogen. Die inzwischen nicht unerhebliche Zahl älterer Szenegänger zeichnet sich durch einen auffällig kontrollierten Umgang mit Drogen aus – schließlich gilt es, montags fit am Arbeitsplatz zu erscheinen. Dies bleibt nicht ohne Vorbildwirkung auf jüngere Szenegänger: Einerseits sinkt durch die Beobachtung kontrollierten Umgangs die Hemmschwelle auf der Zugangsebene zum Drogenkonsum – andererseits gewinnt der jüngere Szenegänger gerade durch das kontrollierte Austarieren von Freiheit beim Feiern und der Pflichterfüllung im Alltag an Selbstbewusstsein und Reputation.
Zugehörigkeit zur Szene entscheidet sich nicht grundsätzlich am Konsum von Drogen bzw. daran, ob der einzelne Szenegänger zum Thema Drogen ‘etwas zu sagen hat’. Zugehörigkeit zur Szene manifestiert sich aber durchaus grundsätzlich am Spaß an und Verständnis für Techno-Musik, Techno-Tanzen und Techno-Parties (was ansonsten vielfach auf Unverständnis stößt). Vor allem drücken sie dieses ‘Spaßhaben’ durch nonverbale Äußerungsformen wie Tanzen, Umarmen, Lachen oder andere Inszenierungsweisen guter Laune aus.
In diesem Sinne stimmt das Klischee, Techno sei eine sprachlich reduzierte Kultur: Techno-Events sind nicht vom Diskurs geprägt. In anderer Hinsicht stimmt es freilich nicht: Vor, nach und am Rande der Events wird der Zusammenhalt der Szene und der Szenecliquen sehr wohl diskursiv hergestellt beim geselligen Zusammensein in kleiner Runde.
Einstellung
Die Kombination von Technomusik, Ambiente und ‘Feierstimmung’ auf Techno-Events soll idealerweise ein aus dem Alltag herausgehobenes Glücksgefühl vermitteln und vor allem dem Ziel dienen, einfach nur Spaß zu haben: ‘Jeder will in guter Stimmung sein und abfeiern’. Was ziemlich egoistisch bzw. solipsistisch klingt, hat durchaus eine starke soziale Komponente – die besondere Intensität des Erlebens auf Techno-Parties setzt gefühlte Gemeinsamkeit des Erlebens voraus. Eine Party feiern heißt immer, zusammen eine Party feiern und gemeinsam Spaß zu haben. Somit ist die Techno-Szene vor allem eine Szene, die sich selber als Gemeinschaft feiert, die das Ideal einer Einheit im Hier und Jetzt, auf einem Event anstrebt. Allen gemein ist der unausgesprochene Wunsch, beim Feiern frei zu sein und die Zeit zu vergessen, einen kindgleichen Zustand zu erreichen, in dem ohne Angst und intellektuelle Steuerung gemeinsam das ‘Jetzt’ genossen wird. Gerade dazu ist die technoide Musik mit ihrem sequentiellen und psychowirksamen Charakter ein entscheidendes Anschubmittel.
Techno-Events bieten aber nicht nur Gelegenheit zum Tanzen, sondern sind auch der Ort, an dem man ‘neue Leute’ kennen lernen, gemeinsam ‘abhängen’ und sich (unbeschwert) in einem pflichtfreien Raum mit ‘Gleichgesinnten’ austauschen kann. Es ist vor allem die Offenheit, die Toleranz und die Kommunikationsfreude, die Technoide an der Szene ungemein schätzen.
Ebenso geschätzt wird (vor allem von Mädchen und Frauen) und von sehr großer Bedeutung ist die (weitgehende) Abwesenheit von Gewalt und die relative kulturelle Diskriminierung von ‘machohaftem’ Verhalten (‘anbaggern’). Auch Rassismus ist in der Szene fast nicht zu finden. Toleranz ist oberstes Gebot – dies zeigt sich auch im hohen Szenestatus von Individualisten, die dies deutlich zur Schau stellen (‘Freaks’).
Generell haben Technoide ein unbeschwertes, aber nicht unkritisches Verhältnis zu gesamtgesellschaftlichen (und hier natürlich auch: technologischen) Entwicklungen, welches allerdings nicht mit Ignoranz oder Opportunismus gleichzusetzen ist. Vielmehr scheinen Technoide zu konsequent individualistischer Aneignung vorgegebener Optionen zu tendieren: Man will Spaß haben und sich wohl fühlen, und dazu nutzt man die gegebenen technischen, finanziellen, sozialen, marktförmigen Möglichkeiten der späten Moderne – jedoch ohne Respekt (man bedenke die vielfältigen Markenparodien).
Lifestyle
Hervorstechendes Merkmal ist die ausgeprägte Sequentialisierung des Lebensvollzuges vieler Szenegänger. Die meisten gehen während der Woche einer regelmäßigen Tätigkeit bzw. Schule oder Ausbildung nach und stürzen sich am Wochenende ins mehr oder weniger exzessive Partygeschehen.
Während dieser Zeit spielt das Leben ‘außerhalb’ keine oder nur eine geringe Rolle: Man hat ‘Partylaune’ und lässt sich diese durch keine politischen und gesellschaftlichen und möglichst auch nicht durch persönliche Probleme ‘vermiesen’. Umgekehrt beeinflusst das wochenendliche Partygeschehen den beruflichen oder schulischen Alltag (zumindest auf kürzere Frist gesehen) überraschend wenig. Zum einen nutzen Technoide den Sonntag meist zur Erholung vom Feiern, um am Montagmorgen wieder ‘fit’ zu sein. Ein szenetypisches Motto lautet: ‘Hart feiern, hart arbeiten’. Zum andern ist es ein Kennzeichen der Szene, dass in Bezug auf außer-szenische Belange praktisch keine Verhaltensstandards existieren: Während manche ihre Techno-Orientierung qua Outfit ständig und überall präsentieren, machen andere ihre Orientierung wenig oder gar nicht sichtbar und führen mithin ein Doppelleben.
Zum Lebensstil von Techno gehört es insbesondere auch, relativ extensiv Individualität zu inszenieren. Dies geschieht im spielerischen Umgang mit kulturellen Fragmenten (Zeichen und Symbole). Das kulturell Vorfindbare wird neu kontextuiert, verfremdet, transformiert. Der techno-typische Lebensstil ist umfassend geprägt durch das Prinzip der ‘Bricolage’ im Sinne vielgestaltiger Arrangements des kulturell und gesellschaftlich wo und wie auch immer Vorfindbaren: Techno-Musik (‘Sampling’), Techno-Outfit (‘Clubwear’), ja Techno-Lifestyle schlechthin (Feiern und Arbeiten, Spaß haben und den Tatsachen ‘ins Auge sehen’), alles ist wesentlich ‘Bricolage’. Insgesamt erwächst so aus im Einzelnen durchaus nicht neuen, durchaus bekannten Elementen eine neue, in ihrer Regelmäßigkeit und Konsequenz zuvor kaum exerzierte Form des Lebensvollzugs.
Symbole
Technoide haben kein Problem damit, Zeichen und Symbole aus traditionellen oder völlig anderen Kulturzusammenhängen in ihre Stilisierungen hereinzunehmen, neu zusammenzubasteln und so – zumeist ohne dabei sachliche Inhalte oder ideologische Überbauten zu übernehmen – zu einem neuen Ganzen, zu ihrem eigenen Stil zu formen.
Kleidungsstile sind entsprechend der individualistischen Ideologie in der Techno-Szene sehr heterogen. Jeder Szenegänger versucht durch seine Kleidung, die eigene Identität zu markieren. Dazu stehen zahlreiche Mode-Labels zur Verfügung, die oftmals von Szenegängern gegründet wurden (allerdings eine zunehmend geringere Bedeutung spielen) und der szenetypischen Ästhetik der ‘Bricolage’ und/ oder einem kreativen Umgang mit Technologie entsprechen. Garniert wurden solche ‘en bloc’ übernommenen Outfits vor allem in den 1990ern mit Versatzstücken aus den verschiedensten Bereichen: Kruzifixe hingen um den Hals, Staubsauger wurden wie ein Rucksack getragen, Gasmasken bedeckten das Gesicht, Sonnenblumen dienten als BH. Dieser Mechanismus existiert heute noch, wird aber bei weitem nicht mehr derart ostentativ ausgelebt.
Rituale
Die bei Techno-Parties und Events der 1990er Jahre eigentümlichen Bühnenformate sind immer seltener zu beobachten: Technoide auf Paraden-Lastwägen und Technoide auf der Straße jubeln einander zu; Tänzer auf Musikboxen oder Holzkästen und Tänzer in der Menge heizen einander an; Ampelbezwinger und Straßentänzer suchen die Öffentlichkeit. Techno-Veranstaltungen waren damals Ereignisse, die von solchen ‘Performances’ lebten, darin wurden die lokalen, aktuellen Gemeinschaften zelebriert. Inzwischen ist die charakteristische Mischung der Szene aus expressivem Individualismus und zelebriertem Kollektivismus zur Selbstverständlichkeit geworden und wird nicht mehr dergestalt zelebriert.
Events
Techno-Parties beginnen in der Regel nicht vor Mitternacht und enden erst am nächsten Morgen. Sie finden in Clubs statt – in Discos (ein verpönter Begriff) tanzen ‘die anderen’, die sich mit DJs zufrieden geben, die sich der aktuellen Charts bedienen. Im Vorfeld ist ein ‘Warm-up’ im privaten Kreis nicht unüblich. An die Nacht schließt sich nicht selten eine ‘Afterhour’ an, die sich von der eigentlichen Party (außer durch die Uhrzeit) nicht wesentlich unterscheidet. Die Teilnehmer der Party tanzen nicht selten die ganze Nacht, mitunter eben auch bis zum nächsten Mittag. Danach begibt man sich oft noch gemeinsam mit Freunden zum ‘Chill-Out’ – z. B. in eine Privatwohnung, ein Hotelzimmer oder an einen anderen (schönen) Ort.
Fast jeder etablierte Techno-Club bietet neben hochqualitativen Soundanlagen genügend leise beschallten Raum. Dieser wird intensiv für längere und typischerweise sehr offene Gespräche genutzt. Nicht zuletzt auch daran ist deutlich zu erkennen, dass Techno keineswegs (nur) einsames Abtanzen in einer anonymen Menge bedeutet, sondern gemeinschaftliches Erleben in Freundeskreisen (so genannte ‘Posses’) wesentlich mit umfasst.
Außergewöhnliche Events sind sehr aufwändig: Insbesondere so genannte ‘Raves’ – also Tanzparties, an denen mehrere Tausend Techno-Liebhaber teilnehmen und die als symptomatischste Art von Techno-Events gelten – erfordern von den Veranstaltern große finanzielle und organisatorische Vorleistungen sowie erhebliche Risikofreude.
Treffpunkte
Treffpunkte der Techno-Szene sind in erster Linie die verschiedenen, früher sehr aufwändig ausgestatteten und heute eher minimalistisch eingerichteten Clubs. Weil die Musik elektronisch erzeugt und in enormer Lautstärke präsentiert wird, übertreffen die technischen Aufwendungen nach wie vor ‘herkömmliche’ Discoanlagen in ihrer Qualität bei weitem. Komplizierte Licht- und Laserinstallationen, die im Einklang mit der Musik das typische Techno-Ambiente der 1990er Jahre erzeugten, sind kaum noch zu finden. Stattdessen haben sich vermehrt künstlerisch aufwändige Lichtinstallationen und Projektionen durchgesetzt.
Die Techno-Szene galt in den 1990ern als stark eventisiert, d. h. sie konstituierte sich in erster Linie in und durch Events. Diese Zeit ist vorbei. Im Mittelpunkt stehen heutzutage der regelmäßig frequentierte Club und die in ihm heimische Sub-Szene. So gibt es musikalisch-programmatisch verwandte Clubs – z. B. Flokati (München), Click (Hamburg), Watergate (Berlin), Robert Johnson (Offenbach) – in denen nahezu die gleichen DJs und Liveacts auftreten und auch das Publikum anlässlich eines Besuchs in einer der Städte gerne einen ‘Verwandtschaftsbesuch’ abstattet.
Medien
Das klassische Medium zur Weitergabe von Informationen über Events sind ‘Flyer’, die auf Parties verteilt werden oder an verschiedenen Szeneorten (Plattenläden, Outfitläden, Clubs) ausliegen. Während Flyer zu Beginn noch wenig aufwändig gestaltet waren, hat sich ihre Ästhetik mittlerweile stark entwickelt und – je nach Sub-Szene – erheblich ausdifferenziert. Insider können allein an der Machart der Flyer erkennen, ob es sich dabei um die Ankündigung einer (für sie und ihren Musikgeschmack) lohnenden Veranstaltung handelt oder nicht.
Wie in (fast) jeder anderen Szene auch, so existiert in der Techno-Szene eine Vielzahl an Magazinen. Der ‘Partysan’ entstand als Flyersammlung und bietet nun in seinen zahlreichen Teilauflagen vielfältige Informationen über Veranstaltungen, Plattenneuerscheinungen, DJs, Szenekultur usw. Das lange Zeit renommierteste Magazin ‘Frontpage’ wurde 1997 eingestellt. Heute existieren an bedeutenden deutschsprachigen Techno-Magazinen noch ‘Groove’ und ‘Raveline’. Die Herausgeber sind durchweg Szenegänger und arbeiten damit nicht lediglich für ein Publikum, sondern kommunizieren innerhalb des Interaktionszusammenhanges ‘Szene’.
Immer größere Bedeutung für die Szenekommunikation erlangt mittlerweile das Internet. Dort befinden sich zahlreiche Web-Sites zum Thema Techno. In dem Maße, wie Fanzines kommerzieller geworden und damit teilweise an den Rand der Szenekommunikation gerückt sind, ‘erobern’ Szenegänger ihre Kommunikationsforen mit Hilfe von E-Zines (so der jugendkulturelle Ausdruck für Internet-Magazine) wieder zurück. Das Internet bietet zugleich die Möglichkeit, Räume der Halböffentlichkeit zu schaffen und damit Informationen schnell, aber nur einem ausgesuchten Kreis zukommen zu lassen. Dabei spielen insbesondere Newsletter eine große Rolle.