Szeneprofil:
Punk
Intro
Die Bezeichnung ‘Punk’ stammt ursprünglich aus dem Angloamerikanischen und hatte seit jeher eine abschätzige Bedeutung. Wer als Punk tituliert wurde, galt als ‘das Allerletzte’. Mit diesem Attribut wurden u. a. Prostituierte, Nichtsesshafte und Kleinkriminelle bedacht. 1975 nannten die beiden Trickfilm-Studenten Legs MC Neil und John Holmstrom (aus Chesire/Connecticut) ihr Fanzine ‘Punk’ und gaben damit der Bewegung einen Namen, die erst ein Jahr später mit den ‘Sex Pistols’ eine größere Beachtung in der Musikpresse fand.
Punk gilt seither als Inbegriff einer rebellischen und provokanten Jugendkultur. Gleichwohl sollte berücksichtigt werden, dass es sich bei Punk nicht um eine einheitliche Bewegung handelt: Es findet sich ein breites Spektrum unterschiedlicher Gruppierungen, Stilformen und Spielarten, die sich in den vergangenen drei Jahrzehnten entwickelt haben. Nicht zuletzt liegen im Punk die Wurzeln weiterer Szenen – ebenso wie die Gothic-Szene ist auch die Hardcore-Szene aus der Punk-Szene hervorgegangen.
History
Die Vorläufer von Punk sind in den USA und dort vor allem in der New Yorker Szenelandschaft zu suchen: Von dort stammten die ‘Ramones’, deren schneller und einfacher Sound die Musik-Welt aufhorchen ließ. Massenmediale Aufmerksamkeit erlangte Punk jedoch erst mit der Londoner Band ‘Sex Pistols’, deren skandalöse Konzerte – bei denen sie das Publikum beschimpften – Punk weltweit bekannt machten. Inspiriert durch die ‘Sex Pistols’ gründeten sich rasch weitere Punk-Bands wie z. B. ‘The Clash’ und ‘The Damned’.
Erste deutsche Bands gab es bereits im Jahr 1977 (z. B. ‘Male’, ‘Mittagspause’). Diese Bands orientierten sich jedoch noch stark an den englischen ‘Vorbildern’ und sangen auch meist auf Englisch. In den 1980er Jahren folgten verschiedene musikalische und damit verbunden auch inhaltliche Ausdifferenzierungen – z. B. Streetpunk und Hardcore.
In Deutschland löste der Mauerfall eine gesteigerte Nachfrage nach den Veröffentlichungen deutschsprachiger Punk-Bands aus – insbesondere von Seiten der nun nicht länger durch staatssicherheitliche Restriktionen am Kauf von ‘West-Produkten’ gehinderten ostdeutschen Punks. Aber auch insgesamt erfuhr das Genre ‘Deutschpunk’ einen Aufwind durch zahlreiche Bandneugründungen, nachdem die Szene in den Jahren zuvor sehr vom US-Hardcore geprägt gewesen ist.
Literatur
Strukturen
Die im Verlauf der Punk-Geschichte erfolgten musikalischen Weiterentwicklungen (wie Hardcore) und Ausdifferenzierungen (wie ‘Fun-Punk’, ‘Streetpunk’, ‘Melody-Core’ und ‘Crust-Punk’) brachten auch inhaltliche Unterschiede und daraus folgend Szeneabspaltungen und neue Subszenen mit sich.
Differenzen sind vor allem im politischen Engagement und im Drogenkonsum auszumachen. Ab Mitte der 1980er Jahre grenzte sich Hardcore als eigenständige Szene von Punk ab. Wie auch ‘Hardcoreler’ können ‘Crust-Punks’ und ‘Riot Grrrls’ als politisch/gesellschaftlich aktiv agierende Szenegruppierungen angesehen werden, während ‘Fun-Punk’, ‘Streetpunk’ und ‘Melody-Core’ oft eher weniger politisch interessierte Szenegänger ansprechen.
Die genannten Ausdifferenzierungen sind allerdings als Subszenen anzusehen, d. h. ihre Anhänger begreifen sich weiterhin als ‘Punks’ und werden von der ‘übrigen’ Szene auch als solche wahrgenommen. Dennoch finden szene-interne Spannungen immer wieder ihren Ausdruck in Diskussionen darüber, ob ‘Punk’ als konkret politisch oder unpolitisch zu verstehen sei. Eine solche Diskussion entzündete sich unter anderem an der aus der Punk-Bewegung hervorgegangenen Partei ‘APPD’ (‘Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands’).
Fakten
Die Größe der Punk-Szene liegt schätzungsweise im unteren fünfstelligen Bereich. Obwohl laufend neue Platten, CDs und Fanzines erscheinen, Punk-Bands im Musikfernsehen ihren festen Platz erhalten haben und die dort gespielten Bands für viele Jugendliche der Einstieg in die Punk-Szene sind, ist in den letzten Jahren eine Stagnation der Szenegröße auf hohem Niveau zu beobachten.
Das Alter der Punks liegt etwa zwischen 14 und 50 Jahren, wobei ältere Punks häufig als Betreiber von Plattenlabeln und -läden, Mailordern sowie Kneipen für die Szene aktiv sind. Im Punk-Konzert-Publikum dominiert der männliche Anteil deutlich. Besonders sichtbar ist diese Tendenz auch im Bereich der aktiv tätigen Szenegänger: Für Bands und Fanzines zeichnen überwiegend Männer verantwortlich – und dies obwohl dem Anspruch der Gleichberechtigung der Geschlechter szene-intern ein hoher Wert beigemessen wird.
Relations
Zwar haben Punks über gemeinsame Konzerte einen relativ beständigen Kontakt zur Hardcore-Szene, allerdings besteht zwischen diesen Szenen eine gewisse Reserviertheit. Über gemeinsame Demonstrationen und Hausbesetzungen besteht Kontakt zum linken politischen Spektrum. Einige Punks sind in links-autonomen politischen Gruppen aktiv und sympathisieren mit der Antifa-Szene. Den bei solchen Demonstrationen zum Teil ebenfalls anzutreffenden ‘alternativen’ Jugendlichen (Hippies) mit ihren Idealen von ‘Liebe’ und ‘Frieden’, attestieren Punks ‘Realitätsferne’, was mit der punktypischen pessimistischen Weltsicht zusammenhängen mag.
Zu Skinheads besteht ein ambivalentes Verhältnis: Bei ‘Oi!-Punk-’, ‘Ska-’ und ‘Mod-’Konzerten kommt es in der Regel zu reibungsarmen Kontakten. In den frühen Punk-Jahren wurden Punks oft von Teds, Rockern sowie rechten Skins gewalttätig angegangen. Derzeit besteht einzig zu rechtsextremen Skins Feindschaft.
Fokus
Zum einen ist Punk eine Musikrichtung, die durch einfachen, rauen, ungeschliffenen, schnellen und geradlinigen Sound gekennzeichnet ist. Zum anderen ist Punk ein Lebensgefühl. Punk als Lebensgefühl kann als Gegenentwurf zum Mainstream beschrieben werden und beinhaltet in den szenetypischen Lebensentwürfen eine bewusste (und mitunter ausgesprochen provokante) Abgrenzung von der Gesellschaft.
Einstellung
Punk gilt als Ausdruck von Protest und Frustration, der destruktiv gegen die Gesellschaft gerichtet ist. Abgelehnt werden vor allem Kommerz, kapitalistische Ausbeutung, Privilegien sowie Rassismus und Umweltzerstörung. Als eine weitere ‘Antriebsfeder’ ist ein Freiheitsstreben gegen die als beengend empfundenen bürgerlichen Normen anzusehen, welches wiederum in einem Streben nach dem Leben für den Augenblick und in der Vernachlässigung von Zukunftsplänen seinen Ausdruck findet.
Die faktische Wirkung dieser destruktiven Einstellung ist jedoch durch ‘do-it-yourself’ (‘D.I.Y.’) – d. h. dem Anspruch, dass jeder etwas selbst machen kann (und sei es mit den bescheidensten Mitteln) – durchaus produktiv und kreativ. Im ‘do-it-yourself’ kommt es auf die Begeisterung für die Sache und nicht auf Perfektion an. Kreativität geht zwar Hand in Hand mit einem pessimistischen Weltbild, aber Punks ergeben sich nicht dem Lauf der Welt. Diese Haltung findet ihre Entsprechung in dem Szenemotto ‘trying not crying’, welches einem Aufruf gleichkommt, das Jammern zu beenden und zu versuchen, die ‘Verhältnisse’ den eigenen Bedürfnissen entsprechend ‘besser’ zu gestalten. Bei all diesem Bemühen um Veränderungen sollte jedoch immer auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Punk-Aktionen beinhalten meist auch eine gewisse Selbstironie gegenüber dem eigenen Dilettantismus – geboren aus der Einsicht in die Beschränktheit der eigenen Mittel sowie der Zweitrangigkeit der Aktion ‘an sich’ gegenüber dem Spaß.
Lifestyle
Typisch für viele Punks ist das Aufsuchen von öffentlichen Räumen, vor allem Fußgängerzonen, um sich dort der Gesellschaft zu präsentieren. Bestandteil dieser Treffen sind meist (Punk-)Musik aus Kassettenrecordern sowie Alkoholkonsum und (häufig auch) das ‘Anschnorren’ von Passanten. Verstehen sich Punks gegenüber der Gesellschaft und dem jugendkulturellen Mainstream eher als Einzelgänger, so ist ihnen doch die Gemeinschaft von Gleichgesinnten und der Zusammenhalt innerhalb der Szene (bzw. ihrer jeweiligen Szene vor Ort) sehr wichtig.
Symbole
Als besonders markant werden bei Punks auffällige Frisuren (bunt gefärbte Haare, Irokesen-Schnitt) sowie die oft bewusst schäbige Kleidung wahrgenommen. Allerdings wurde dieser Look in den letzten Jahren durch die Mode-Industrie aufgegriffen, weswegen ein solches Erscheinungsbild (zumindest in Großstädten) nicht mehr die gewünschte ‘Schock’-Wirkung erzielt.
Weiterhin charakteristisch für Punks sind bunt verzierte Leder- und Jeans-Jacken oder Parkas. Sehr häufig verwendet werden dabei das Anarchie-Symbol, Parolen (z. B. ‘Schieß doch Bulle’), Schriftzüge von Bands oder Buttons. Ansonsten verwenden Punks oft ‘spöttisch’ Alltagsgegenstände als Mode-Accessoires – so etwa Hundehalsbänder, Sicherheitsnadeln, Vorhängeschlösser und Ketten – hinzu gesellen sich z. T. provozierende Elemente wie Patronengurte und Galgenstricke.
In den Anfangstagen des Punk wurden vielfach auch Nazi-Symbole zur Schau getragen, die jedoch zumindest in Deutschland längst verpönt und daher nicht mehr zu sehen sind. Einige Punks führen, selbst zu Konzerten, Hunde bei sich. Bei Punks beliebte Tiere sind zudem immer auch Ratten gewesen, in denen Punks eine ‘symbolische’ Entsprechung ihrer selbst als intelligente, aber von der Gesellschaft wegen ihres Aussehens verachtete Lebewesen sehen.
Rituale
Bei Punk-Konzerten wird Pogo getanzt, d. h. ein unkontrolliertes Springen im Takt der Musik. Pogo ist einerseits das Zelebrieren von Begeisterung, andererseits jedoch auch das Ausleben von Wut und Aggression. Besonders rücksichtslose Rempeleien können bei Konzertbesuchern z. T. zu Blessuren führen. Auch Stagediving, das Springen von der Bühne in die Menge, gibt es bei Punk-Konzerten hin und wieder zu sehen. Typisch für unabhängige Punk-Konzerte ist die Nähe von Band und Publikum, also die Auflösung der in anderen musikzentrierten Szenen üblichen Hierarchie, denn eine ‘Star-Verehrung’ wird abgelehnt.
Events
Als Treffpunkte fungieren vor allem Punkrock-Konzerte in unabhängigen Jugendhäusern, besetzten Häusern sowie kleinen Clubs und Kneipen. Eine große Bedeutung haben auch große, oft mehrtägige Festivals erlangt, bei denen teils ‘Open-Air’ (z. B. beim ‘Force Attack’-Festival nahe Rostock), teils in größeren Hallen (z. B. beim ‘Holidays in the sun’ in Blackpool/England sowie beim ‘Punk & Disorderly’ in Berlin) bis zu 40 Bands an einem Wochenende auftreten.
Charakteristisch sind auch Punk-Treffen in Fußgängerzonen, die in kleinerem Umfang weiterhin stattfinden, oft unter der Bezeichnung ‘Punx Picnic’. Die berühmt berüchtigten ‘Chaostage’ von Hannover fanden 1982-1984, 1994-1996 sowie im Jahr 2000 statt. Durch starke Präsenz und Ingewahrsamnahme von Punks ist es der Polizei allerdings gelungen, dieses Ereignis unter Kontrolle zu bekommen, so dass ihm in der Szene derzeit keine Bedeutung zu kommt.
Treffpunkte
Siehe ‘Events’. Hinzu kommen Kneipen sowie lokale Treffpunkte in Fußgängerzonen als mögliche ‘Anlaufstellen’.
Medien
Mit Fanzines, Flyern und Beilagen zu Tonträgern verfügen Punks über eigene, unabhängige Kommunikationswege. Der dabei verwendete, für Punk einst typische Erpressungs-Brief-Look (Collagen aus ausgeschnittenen Buchstaben/Wörtern aus Zeitungen) hat als stilistisches Mittel mittlerweile auch Einzug in andere Bereiche (z. B. in die Werbewirtschaft) gefunden.
Die Bedeutung des Internet nimmt in der Punkszene stetig zu – vor allem zur Übermittlung von Konzert-Ankündigungen und zur schnellen Verbreitung von ‘Neuigkeiten’. Weiterhin finden sich auf Web-Seiten inzwischen auch Informationen zu Bands (Bandgeschichten, Song-Texte) und MP3-Archive zum Herunterladen von Songs.