Szeneprofil:
Indie
Intro
Der Begriff ‘Indie’ ist vom englischen ‘Independent’ abgeleitet und bedeutet ‘unabhängig’. Anfangs diente die Bezeichnung ‘Independent’ der Abgrenzung ‘kleiner’, selbstgegründeter Musikverlage gegenüber ihren konzernförmigen Konkurrenten – den so genannten ‘Major-Labels’. Zu den ‘Majors’ gehören heute die ‘Warner Music Group’, ‘EMI’, ‘Sony Music’ und die ‘Universal Music Group’. Daran anschließend setzte sich ‘Indie’ als Selbstbezeichnung für diejenigen Menschen durch, die die Musik von Independent-Bands und -Labels präferieren und damit eine besondere Lebenseinstellung und einen umfassenden Lifestyle verbinden. Obwohl ‘Indie-Musik’ von jeher als unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen inszeniert wurde, findet sie sich heute (nicht selten) dennoch in den Charts wieder. ‘Indie-Künstler’ sind längst auch bei den ‘Majors’ unter Vertrag. Dieser Umstand erzeugt nicht mehr unbedingt oder selbstverständlich eine rigorose Ablehnung erfolgreicher ‘Indie-Hits’ unter den Indies. Daraus mag sich die Frage ergeben, was ‘Indie’ als Musik und als Szene heute überhaupt (noch) ausmacht.
Spätestens seit ihrem ‘Revival’, das in Deutschland etwa zur Zeit der Jahrtausendwende zu beobachten war, präsentiert sich die Indie-Szene durch einen relativ einheitlichen Lebensstil und eine charakteristische Alltagspraxis. Dabei zielt die als konstitutiv aufzufassende Selbst- und Kollektivbezeichnung als ‘Indie’ über den Code der Unabhängigkeit ausdrücklich auf die Motive der Eigenständigkeit, Selbstorganisation und Selbstständigkeit ab. Szenegänger grenzen sich von alledem ab, was szene-intern als nicht authentisch, nicht unabhängig, massenhaft, allseits bekannt und demnach nicht individuell gedeutet wird.
History
Als wichtiger Stichwortgeber einer Geschichte des ‘Indie’ kann die ‘Anti-Establishment-Subkultur’ des ‘Punk’ gesehen werden, von dem die skeptische, teils ablehnende Haltung gegenüber der ‘Mainstreamkultur’, wie die ‘do-it-yourself’-Attitüde quasi geerbt wurde. Dabei wird jedoch beim ‘Indie’ auf einen provokanten subkulturellen Habitus verzichtet. Als direkter Vorläufer gilt die ‘Post-Punk-Bewegung’ Ende der 1970er Jahre. ‘Indie’ als Kulturphänomen kam in den 1980er Jahren in Großbritannien als ‘Indie-Pop’ auf und bezeichnete ‘Pop-Musik’, die von ‘Independent-Labels’ (z. B. ‘Rough Trade’) vertrieben wurde. Aufgrund des Erfolgs von ‘New Romantic-’ bzw. ‘New Wave- Bands’ zu dieser Zeit blieben diese neuen ‘Pop-Bands’ eher ‘klein’ und in diesem Sinne auch ‘Independent’.
Eine weitere wichtige Entwicklung stellt die ab etwa 1992 aufkommende ‘Brit-Pop-Welle’ dar. In diesem Musikgenre liegt das Gewicht eher auf dem Liedtext, als auf der Tanzbarkeit von Melodie und Rhythmus, welche vordergründig optimistisch und freudig sind. Brit-Pop zitiert den ‘Pop’ der 1960er und 1970er Jahre und damit ‘Pop-Bands’ wie ‘The Beatles’ oder ‘Mod-Bands’ wie ‘The Kinks’ und ist ebenso vom ‘Indie’ der 1980er geprägt. Bedeutendste Vertreter sind, zumindest gemessen an ihrer Popularität, ‘Blur’, ‘Pulp’ und ‘Oasis’.
In Bezug auf eine deutsche ‘Indie- Szene’ ist als Vorläufer zudem die ‘Hamburger Schule’ zu benennen, welche von ‘Punk’ und ‘NDW’ beeinflusst ist. Diese Musikrichtung kam gegen Ende der 1980er auf und beschreibt deutschsprachige Musik mit Pop- und Punk-Elementen deren Vertreter, wie ‘Blumfeld’, ‘Ostzonen-suppenwürfelmachenkrebs’ oder ‘Huah!’ vorrangig aus dem Raum Hamburg kamen oder dort hinzogen. Der Begriff ‘Hamburger Schule’ ist an den der ‘Frankfurter Schule’ angelehnt und soll auf einen intellektuellen, gesellschaftskritischen Inhalt der Texte verweisen. Von daher wird alternativ auch die Bezeichnung ‘Diskurs-Pop’ verwendet. Eine grundsätzliche Umwälzung der gesellschaftlichen oder politischen Verhältnisse ist damit aber nicht gemeint. In dieser unrebellischen Haltung gleicht die Musik dem ‘Indie’ Großbritanniens. Auch in der dem ‘Punk’ entlehnten ‘Independent- Haltung’ finden sich Ähnlichkeiten zum ‘Indie’ der damaligen Zeit. Mit diesem ‘Diskurs-Pop’ sind in den frühen 1990ern vor allem die Bands ‘Blumfeld’, ‘Die Sterne’ und ‘Tocotronic’ erfolgreich gewesen.
Der Problematik des ‘staying independent/underground’ gegen den Erfolg wird auf zwei Weisen begegnet, zum einen durch die Umkodierung und Erweiterung der Bedeutung von ‘Indie’. Darüber kommt es zur Einholung von erfolgreichen Bands, was für die ‘Indie-Szene’ als Massenerscheinung wichtig ist. Zum anderen kann es aber für die subkulturelle, kleinteilige ‘Indie-Szene’ gerade zum Ausschluss solcher Bands kommen. Ferner werden aber auch Randbereiche anderer Genres in den ‘Indie’ eingeholt, wie zum Beispiel elektronische Musik oder sogar ‘Hip-Hop’ (z. B. im Falle der Band ‘Streets’). Dadurch und zudem weichen sich aber auch andere Definitionsmerkmale der Musik auf, weshalb diese Entwicklungen von einigen Szenegängern überaus kritisch bewertet werden.
Nicht nur, dass die genannten Veränderungen zu szene-internen Umgestaltungen beitragen, zusätzlich bezeichnet ‘Indie’ in der aktuellen Szene eine Musik, die sich durch rein musikformale Beschreibungen nicht mehr klar greifen lässt. Verschiedenste Musikstile überlagern sich in der Szene und die Gefahr des Ausverkaufs, des so genannten ‘Sell-Outs’ einer Band, wird ausgewechselt mit der Gefahr ‘Mainstream’ zu werden. Da sich aber in dem Falle der kommerzielle Erfolg und ‘Indie-Sein’ nicht ausschließen, wird die Grenze zum ‘Mainstream’ und damit die interne Grenze brüchiger oder fließender, als sie es ohnehin schon sein mag. Die Fassung dessen, was ‘Indie’ sei, ist daher eng mit dem charakteristischen Werte- und Einstellungskontext der Szene und jener Aushandlungsprozesse über ‘Indie’ verwoben.
Literatur
Strukturen
Auch in der ‘Indie- Szene’ finden sich Personen mit besonderen Positionen und außerordentlichen Wissensvorräten, welche (bildlich gesprochen) den Standardwissensvorrat des ‘Indies auf der Straße’ weit übersteigen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass das Streben nach Anerkennung innerhalb der jeweiligen Szenegemeinschaften der Motor vertikaler Mobilität, d. h. von Statuszuschreibungen und Privilegien, schlechthin ist. Dabei wird Anerkennung maßgeblich über die beschriebenen besonderen Breiten- und Tiefenwissensbestände erlangt, welche in ausführlicher, zeitintensiver und leidenschaftlicher Nachforschung und Recherche in einschlägigen Medien angesammelt und schließlich über verschiedenste Wege und Medien mitgeteilt werden. Mit Tiefenwissen wird die Kenntnis ganz detaillierter, wenig bekannter Insiderinformationen zu den Bands oder der Szenegeschichte bezeichnet. Breitenwissen dagegen zielt auf den möglichst umfangreichen Überblick über eine tunlichst unerschöpfliche Zahl an Bands und Künstlern. Damit ist die Aktualität der Informationen insgesamt ungemein wichtig, denkt man an die kurze Halbwertzeit der musikalischen Entdeckungen. Und es wird nun deutlich, wie nötig und teils tragisch im Zusammenspiel mit dem Statusstreben damit der regelrechte ‘Verbrauch’ von musikalischen Entdeckungen ist, wenn man Tendenzen der Kommerzialisierung und der Vermassung durch mediale Hypes in den Blick einbezieht. Mitteilungen und Inszenierungen gegenüber anderen Szenegängern erfolgen natürlich maßgeblich über Auftritte gleichermaßen in der unmittelbaren (interaktiven) Offline-Umwelt und mittels Online-Repräsentationen auf Blogs, Foren oder in Artikeln und Berichten in Fanzines. Der ganz alltägliche wie auch – z. B. auf Events – gleichsam außeralltägliche Blick der anderen Szenegänger bietet allerdings auch Raum für das Schmücken mit begehrten und erlebnisträchtigen (bekleidungsstilistischen) Utensilien: Denn auch der Besitz rarer Band-T-Shirts, exotischer Buttons oder regelrechter Konzert-Devotionalien (etwa das Plektrum des Lead-Gitarristen der geschätzten Band) nuancieren die eigene Persönlichkeit und zeugen von erheblichem praktischem Erfahrungswissen aus Konzertbesuchen und Bandkontakten.
Da innerhalb der Szenegemeinschaften und in den Verbreitungsmedien der Szene immerfort ausgehandelt und definiert wird bzw. aus Sicht der Szenegänger diskutiert werden ‘muss’, was als ‘indie’ gelten darf und was nicht, was beispielsweise zu kommerziell, zu elektronisch, zu unverbindlich, zu unnahbar usw. ist, nimmt ein hoher Status eine unvergleichlich richtungweisende Funktion ein. Denn ein solcher (hoher) Status bescheinigt dem auf diese Weise profilierten ‘Indie’ eine enorme Deutungs- und Reflektionskompetenz. Diese muss sich nicht unmittelbar im Einnehmen etwaiger Organisations- oder Redaktionstätigkeiten oder in einem Engagement als DJ artikulieren.
Fakten
Es liegen für die ‘Indie- Szene’, wie für viele andere Szenen auch, (noch) keine verlässlichen statistischen Daten – wie etwa zur geschätzten Gesamtzahl, dem Durchschnittsalter oder der Geschlechterverteilung – vor. Ganz besonders erschwert wird der Versuch einer Schätzung ebenfalls durch die äußerst schwierige musikalische Grenzziehung und durch den aktuellen Wandel der Szene. Als Hilfsmittel einer zumindest groben Schätzung lohnt sich allerdings der Blick auf die Verbreitung von bei ‘Indies’ einschlägigen Print-Magazinen. Schaut man sich die durchschnittliche Verbreitung einschlägiger Zeitschriften pro Ausgabe für das Jahr 2008 an, so erfreuen sich ‘Musikexpress’ mit 17.800, das kostenlose Magazin ‘Intro’ mit 42.600 und die vierteljährlich erscheinende ‘Spex’ mit 21.000 Exemplaren in Deutschland durchaus großer Beliebtheit. Ebenso nicht gerade unerheblich sind die Besucherzahlen auf den zentralen Konzert-Events. Das ‘Melt!’ ist eine einschlägige Adresse für ‘Indies’ und existiert seit 1997. Die fantastische Kulisse auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohletagebaugebiets zog im Jahre 2008 (nach Angaben der Veranstalter) 20.000 ‘Indies’ an. Über diese Zahlen lassen sich allerdings keine verlässlichen Aussagen zur Gesamtgröße der Szene treffen. Zu groß dürfte die Zahl derjenigen sein, welche diesem Raster entgehen, weil sie sich beispielsweise nur online informieren bzw. kleine Club-Konzerte den großen Konzert-Events bewusst vorziehen. Andererseits werden die genannten Festivals und Magazine durchaus auch von Zugehörigen anderer Szenen frequentiert.
Die ‘Indie- Szene’ ist vom Altersspektrum ausgesprochen heterogen. Es lässt sich allerdings ein charakteristisches Eintrittsalter von etwa 14 Jahren finden. Außerdem zeigt sich insgesamt, dass in der Indie-Szene auch viele der Bandmitglieder jung sind bzw. zumeist das fünfundzwanzigste Lebensjahr noch nicht überschritten haben. ‘Indiemädchen’ wie auch ‘Indiejungen’ besiedeln gleichermaßen die Szene und verfolgen darüber hinaus erstaunlich ähnliche lebensstilistische und weltanschauliche Grundmotive, was sich am sichtbarsten im ‘authentischen’ Auftreten bzw. Erscheinungsbild niederschlägt.
Relations
Aufgrund der besonderen Position zwischen ‘Pop’ und ‘Anti-Pop’, ob man ihn subkulturell oder alternativ nennen mag, weist die ‘Indie- Szene’ vielfältige ambivalente Beziehungen zu anderen Szenen bzw. Szenekulturen auf. ‘Popper’ und ‘Indies’ begegnen sich so selbstverständlich, wie ‘Alternative’ und ‘Indies’. Aufgrund der spannungsreichen Lage der Szene sind jedoch v. a. weitreichende Abgrenzungen gegen andere Szenen zu beobachten, die allerdings auf der Beziehungsebene über die Abwertung und Meidung entsprechender Zugehöriger anderer Szenen nicht hinausgehen.
Auf der einen Seite stehen ‘Indies’ also gleichsam der Hydra des ‘Mainstream’ gegenüber, welche durch Größe und Masse repräsentiert wird. Die für den ‘Indie’ offensichtlichen Moden der ‘Mainstreamkultur’, d. h. beispielsweise auch die beim Massenpublikum angekommenen, ursprünglichen ‘Indie-Songs’ oder ‘-Bands’, werden demzufolge häufig gar aufgrund ihrer erlangten Popularität als eingebüßt verstanden. Massentauglich sind zudem die riesigen ‘Megaevent-Festivals’ (siehe: Events). Auch von diesen grenzen sich ‘Indies’ prinzipiell ab und meiden sie zugunsten kleinerer Festivals und Veranstaltungen. Die angestrebte Kleinteiligkeit bzw. Kleingruppenorientierung der Szene, die durch die Vermassung der Szene ideell stark strapaziert wird, drückt sich nachgerade in der geforderten Distanz zu allgemeinkulturellen Gütern aus.
Auf der anderen Seite akzentuiert der ‘Indie’ seine Position auch gegenüber anderen Szenen. ‘Techno’ und ‘Hip-Hop’ sind dabei die schärfsten Kontrastfolien zum ‘Indie’. Indies distanzieren sich dabei nicht nur von der als zu ‘prollig’, zu schnellen und zu ‘harten’ Liedgestaltung und von ‘sinnfreien’ oder ‘frauenfeindlichen’ und ‘posenden’ Liedinhalten. Darüber hinaus wird beispielsweise am ‘Punk’ die fundamentale Gegenposition zur Gesellschaft kritisiert, wohingegen ‘Emos’ in ihren gesteigert-emotionalen Ausdrücken als übertrieben, schwülstig und theatralisch empfunden werden und damit als unauthentisch gelten.
Diese Reihe an Beispielen zeigt vor allem, welch enorme Bedeutung die Verortung durch eine Bezugnahme zu anderen Szenen für die Konturierung und Ausformung des Profils der eigenen Szene hat. In dieser Distinktionspraxis, also in einem jeweils mehr oder weniger als stark bzw. deutlich erkennbar thematisierten Kontrast gegenüber anderen Szenen, stabilisieren sich (im Wesentlichen) die je eigenen spezifischen Deutungsmuster des ‘Indies’.
Fokus
Bei der ‘Indie-Szene’ handelt es sich um eine musikzentrierte Szene. Damit kursiert im Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Aktivitäten der Bezug auf die so vielgestaltige und mannigfach vorliegende, intensiv nachrecherchierte und jeweils möglichst massenkulturell-ungeteilte ‘Indie-Musik’. So zeigt sich hieran die herausragende Bedeutung des alltäglichen Austausches zwischen den Szenegängern, ob dieser nun face-to-face oder medial vermittelt erfolgt. Denn die brandneuen Informationen über die noch gänzlich unbekannte neue Band, welche etwa eben erst auf ‘MySpace’ oder in einem Fanzine aufgestöbert wurde, oder anstehende Tourneen, oder Bandauflösungen, oder die kürzlich gefundenen künstler-biografischen Neuigkeiten, all das will in den alltäglichen Interaktionen kommuniziert werden und stellt sozusagen das Material alltäglicher Vergemeinschaftung dar. Und so bilden sich vermittels zeitintensiver Recherche und ungebremster Erfahrungsleidenschaft emsig ‘Indies’ mit geradezu lexikalischem Tiefenwissen zur Geschichte des ‘Indie’ und womöglich ebenso beeindruckendem aktuellem Informiertheitsgrad heran, mit stets wachem Blick auf alles Neue, was auf dem schier grenzen- und rastlosen internationalen ‘Indie-Basar’ vor sich geht. Diese Verbindung von umfassenden Hintergrundkenntnissen und unbedingter Aktualität ist im Grunde der Motor der Szene schlechthin. Die außerordentliche Geschwindigkeit dieses Wissens- und Kompetenzerwerbs aber vor allem auch -austauschs (vermittels gemeinsamer Verständigungen über Musikgeschichte und aktuelle Trends in den lokalen Szenegemeinschaften bzw. Cliquen) ist eines der besonderen Charakteristika der ‘Indie-Szene’.
Trotz der nach außen hin wahrgenommenen ‘ausfransenden’ Genregrenzen finden sich sozusagen intern relativ feste musikstilistische und vor allem inhaltliche Ausschlusskriterien, welche sich unmittelbar aus dem charakteristischen Wertekanon heraus ergeben. Allerdings erlauben genau jene konkreten Wertereferenzen, wie etwa die hohe Bedeutung der Echtheit, Natürlichkeit und Unabhängigkeit (beispielsweise in der Vorliebe von alltagsweltlich nachvollziehbaren Lyrics und einem ‘do-it-yourself’-/’Lo-Fi’-Charakter der Musik) überhaupt erst das Erkennen, Erschließen und Selektieren aus dem explosionsartig wachsenden Überangebot an Weltanschauungen, Musik- und Kleidungsstilen. Was den ‘Indies’ landläufig als Arroganz der andauernden Abgrenzung gegen alles und jeden zugeschrieben wird ist also im Kern für die Szene und ihren Bestand unabdingbar. Gleichermaßen erfordert jenes Abgrenzungshandeln von jedem einzelnen bestimmte Interpretationsleistungen (z. B. ob etwa der hochaktuelle Elektrotrend noch bzw. schon ‘indie’ ist?). Das Vertreten oder Darstellen dieser persönlichen Beurteilungen vor der eigenen Clique bzw. anderen ‘Indies’ ist dann immer auch ein Stück weit ein Risikofaktor. Denn ob die Deutung ankommt oder nicht, entscheidet sich erst in der gemeinsamen Aushandlung. Andere Szenegänger akzentuieren ihren Szenealltag weniger entlang umfassenden Wissens, sondern verfügen über ein durch die Szene bereitwillig zur Verfügung gestelltes Basiswissen an szenegeschichtlichen und musikalischen Standards.
Einstellung
Der recht weit in den Alltag des ‘Indies’ hineinwirkende allgemeine und vielfach übersetzbare Werteapparat lässt eine Reihe konkreter, auf jeweils ganz bestimmte Urteilsobjekte gerichtete Einstellungen entstehen, welche sich in bestimmten Orientierungen widerspiegeln. Tragend sind hier vor allem die vielen kommunikativen Abgrenzungs-Bekundungen gegenüber anderen musikalischen Stilrichtungen und die Ausrichtung der alltäglich gehörten Musik und getragenen Kleidung bzw. Accessoires. All dies findet seine szene-interne Legitimation letztlich über die Verknüpfung mit den zentralen Werten. Unter jenen umfassenden Werten lässt sich zuvorderst die alle Lebensbereiche durchscheinende Wichtigkeit der Natürlichkeit und Unabhängigkeit finden. Die hohe Bedeutung, welche der ‘Indie’ diesen Motiven zuweist schlägt sich beispielsweise nachhaltig im szenespezifischen Kleidungsstil bzw. Auftreten nieder, wenn etwa gezielt die abgenutzten ‘Chucks’ oder ‘Vans’ getragen bzw. die penibel verwuschelte Frisur zurecht gemacht wird. Spannenderweise zeigt sich hieran, dass die Natürlichkeit des Auftretens nicht selten zum Preis der (durchaus offensichtlichen) aufwändigen Herrichtung und Inszenierung hergestellt wird.
Natürlich projiziert und speist sich Natürlichkeit, Echtheit, Ehrlichkeit ganz maßgeblich auch aus den musikalischen Hörgewohnheiten – etwa den bevorzugten ‘Lo-Fi-Style’ der ‘Indie-Musik’ und die aus Sicht von Szenegängern essentielle Anschlussfähigkeit der Lyrics bzw. ihrer textinhaltlichen Aussagen an eigene (Alltags-)Erfahrungen und Emotionen. Dabei handelt es sich um Elemente, welche der Musik für den ‘Indie’ eine ganz wesentliche Nahbarkeit, eben eine individuell nachvollziehbare Ehrlichkeit verleihen. Überdies werden Werteorientierungen entlang von Motiven der Zwischenmenschlichkeit und Harmonie bzw. Toleranz in den ganz alltäglichen Geselligkeiten durchsetzt und eingefordert.
Lifestyle
Vor dem Hintergrund der bisherigen Beschreibungen versteht es sich von selbst, dass es für den ‘Indie’ eher untypisch ist, eine ‘Doppelidentität’ zwischen ‘normalem Leben’ und Szenezugehörigkeit zu führen. Vielmehr gilt es im Grunde als ein Tribut an das Authentische, als ‘Indie’ in der Szene auch ‘indie’ zu sein. Dementsprechend weit in die Lebensbereiche des einzelnen reicht die eigene Verschreibung an die Werte-Linien der Szene. So ist der ‘Indie-Lifestyle’ letztlich ständiger Begleiter und Orientierungsweiser durch die unterschiedlichsten Lebensbereiche (Familie, Freundschaft, Schule, Berufsleben usw.). Eine schöne Verbildlichung lässt sich im bis zum letzten Megabyte mit diversen ‘Indie-Bands’ befüllten ‘iPod’ finden, welcher mittlerweile zur ‘Indie’-Standardausstattung gezählt werden kann und als allgegenwärtiger musikalischer Begleiter ‘Indie’ als musikgewordene Gesinnung (im Ohr) wirklich überall dabei sein lässt.
Das ‘poppige’, eingängige Wesen der Musik macht es zudem nicht über die Maßen schwer, musikalisch beispielsweise auch die eigene Familie in die eigene Band-Faszination einzubeziehen oder den alles andere als anstößigen, szenetypischen Kleidungsstil zum ausschließlichen, sozusagen ’round-the-clock’-Outfit werden zu lassen.
Der ‘Indie-Lifestyle’ bedeutet aber ebenso – wenn auch tendenziell rückläufig – sich allgegenwärtig neben der musikalischen ‘independent’-Einstellung auch in anderen Lebensbereichen gegenüber der Mainstreamkultur zu positionieren. Die gelegentliche Ablehnung von als primär verwertungsorientiert wahrgenommenen Studiengängen (allen voran die Wirtschaftswissenschaften) mag ein vielleicht selten gewordenes aber auch besonders anschauliches Beispiel zu sein. Hier zeigt sich, dass für ‘Indies’ eine authentische Vereinbarung von szenetypischen Werten und Einstellungen (sich also gegen eine ‘grassierende’ Verwertungslogik zu positionieren) und beruflichen (hier bildungsbiografischen) Entscheidungen von hoher Bedeutung ist.
Insgesamt legt sich damit der ‘Indie-Lifestyle’ typischerweise über den gesamten Alltag des ‘Indies’ und es gilt in höchstem Maße anerkennungsförderlich, seine vielfältigen alltäglichen (Konsum-)Entscheidungen konsistent zum bekannten und geschätzten Werteapparat zu gestalten. Damit kann ‘Indie’ typischerweise nicht einfach abgestriffen und an der Garderobe zum ‘Lebensbereich XY’ abgegeben und danach wieder abgeholt werden. Hieran zeigt sich ein weiteres Mal, dass ‘Indie’ sich nicht nur auf ein bestimmtes, zeitlich und räumlich klar abgegrenztes Aktivitäts- bzw. Betätigungsfeld bezieht, sondern sich als umfassende ‘indie-attitude’ im Leben des ‘Indies’ verwurzelt.
Symbole
Das gegenseitige Erkennen als Szenegänger ist eine wichtige Voraussetzung der Interaktion zwischen den Szenegängern und darüber hinaus für die Selbstwahrnehmung und den Bestand der Szene. Die Repräsentation als ‘Indie’ dient außerdem dem Selbstbekenntnis und damit der Versicherung der eigenen Zugehörigkeit, der Statussicherung durch das Aufzeigen charakteristischer Symbole, wie auch interessanterweise der Verbreitung des spezifischen Lifestyles des ‘Indies’.
Bedingt durch die szenespezifische Fokussierung auf ‘Musik’ dienen vor allem Kleidungsstücke und Accessoires mit Bandbezug zur Akzentuierung der Szenezugehörigkeit. Ganz besonders T-Shirts mit Bandmotiven, insbesondere wenn sie bei Konzerten erworben wurden, und Buttons an allen möglichen Kleidungsstücken erfreuen sich hoher Beliebtheit. Mithilfe dieser Outfitkomponenten kann der ‘Indie’ seine grundlegende Zugehörigkeit (im Falle allseits bekannter Bands), aber auch seine profilierte Kennerschaft (bei unbekannten Bands oder in Referenz auf szenegeschichtlich bedeutende Wegbereiter) zum Ausdruck bringen.
Weit schwieriger verhält es sich mit dem Kleidungsstil des ‘Indies’: Vor allem bei den ‘Indiejungen’ ist das weiß-schwarz quergestreifte T-Shirt weit verbreitet und hatte zeitweise einen nahezu uniformen Wert für den ‘Indie’. Als überdies fast obligatorisch können die so genannten ‘Chucks’ gelten, die es in verschiedensten Ausführungen gibt. Die Firma Converse stellt diese Stoffturnschuhe nahezu unverändert seit den 1970er Jahren her. Sie standen auch bei der ‘Punk-’ wie bei der ‘Grunge-Bewegung’ hoch im Kurs. Ausgeprägte Abnutzungserscheinungen bei Schuhen bezeugen Authentizität und lassen sich in Abgrenzung zum ‘glatt gebügelten Mainstream’, hier also vom allzu ‘feinen und sauberen’ und damit als unecht Bezeichneten verstehen. Zudem sind für Jungen und Männer Seitenscheitel charakteristisch, wobei die Haare weder besonders lang noch extrem kurz getragen werden. Bei ‘Indiemädchen’ finden sich häufig Pony-Frisuren. Neben Streifenmustern werden von den Mädchen bzw. Frauen oft auch Punkte-Muster getragen. Neben Chucks erfreuen sich (neuerdings) Ballerinas einer großen Beliebtheit. Zudem finden sowohl bei den weiblichen als auch männlichen ‘Indies’ die vergleichsweise großen, rechteckigen Taschen mit Schultergurt breite Verwendung.
Zusammengefasst transportiert der Kleidungsstil ein natürliches, aber keineswegs ungepflegt oder provokatives, ein ordentliches, jedoch nicht feines Image. Dies unterstreicht die Position des ‘Indie’ zwischen und in deutlicher Ablehnung von sowohl affirmativem ‘Mainstream’ als auch provokanter, rebellischer ‘Subkultur’.
Rituale
Rituale lassen sich als handlungspraktische Signalisierung exklusiver Gemeinschaftszugehörigkeit verstehen. Die ‘Indie-Szene’ weist einen typischen Basisvorrat ritueller Alltagspraktiken auf, welche in den lokalen Szenegemeinschaften einzeln oder oft auch gemeinsam verfolgt werden. Auf der bereits beschriebenen Grundlage des Fokus auf möglichst unbekannte Musik (aber natürlich auch immer wieder auf die bekannten musikalischen Standards), der aber gleichzeitig hohen Genreoffenheit und dem zudem unerschöpflich großen Angebot, ergibt sich eine (nahezu tagtäglich) eifrig verfolgte Recherche nach neuer Musik. Das heißt es werden möglichst kleine, jeweils als musikalisch einmalig und neuartig empfundene Bands aufgespürt, welche dem ‘Indie-Freundeskreis’ vorgestellt werden können (oder zuweilen auch in innigster Verbindung als Kleinod protegiert werden). Die andauernd einzigartig-neuen musikalischen Fundstücke besitzen für den ‘Indie’ damit eine stark verminderte Halbwertszeit. Die auf diese Weise unermüdlich angetriebene Recherche wird über die einschlägigen Verbreitungsmedien wie die unzähligen Internet-Blogs und Musikportale (v. a. ‘Myspace.com’) verfolgt, aber auch auf regelrechten Pirschgängen in idealerweise kleinen ‘Plattenläden’, wo die ‘Independent’-Regale nach immer neuen Exoten durchforstet werden. Nicht selten werden gar eigene Recherche-Blogs im Internet geführt und der interessierten Szenegemeinschaft auf diese Weise die Funde präsentiert. Gerade für den ‘Indie’ ist die Wirkung digitaler Musikformate und dessen denkbar einfacher Zugänglichkeit über das Web gar nicht zu unterschätzen. Umso spannender jedoch ist die nach wie vor hohe Bedeutung des Besitzes von CDs aber auch von LPs, welche obendrein nochmals eine zusätzliche Wertschätzung erfahren, wenn sie auf Konzerten erstanden wurden. Die Ergebnisse der Recherchen werden in den Cliquen und Freundeskreisen kommuniziert und gemeinsam beurteilt.
Zudem wird das Ritual des Erstellens (persönlicher) ‘Mixtapes’ (ob in Form von CDs oder Mp3-Alben, teils gar noch standesgerecht auf Kassette) gepflegt. Hier werden geradezu kunsthandwerklich und nach gezielten Plots einzelne Songs verschiedenster Alben zusammengestellt, die manchmal sogar auf eine bestimmte Person hin abgestimmt sind. Damit verbindet sich oft auch eine kreative Komponente, wenn etwa ausgefallene Cover hingebungsvoll selbst gestaltet werden. Ein ausgewogener, als gelungen empfundener Sampler ist einer der wichtigen Auszeichnungen eines Connaisseurs der Szene.
Ein außerordentlich verbindendes Moment der Bezeugung eines exklusiven Wir-Gefühls stellt die ausführliche und oft chronologisch fortgeführte bildliche und schriftliche Dokumentation gemeinsamer Unternehmungen, wie z. B. das Besuchen von Clubkonzerten dar. Auch für ‘Indies’ lässt sich die nahezu flächendeckende Ausstattung mit kamerafähigen Handys durchaus als Standard bezeichnen. Mithilfe dieser technischen Ausstattung werden die Zeugnisse geselliger Szenetreffs und besonderer Konzertbesuche gängigerweise auf Video-Communities, eigenen Blogs oder in professionalisierter Form der Konzertberichterstattung auf eigenen Fanzine-Seiten präsentiert und munter gegenseitig kommentiert.
Events
Wie bei allen Szenen, nehmen die außeralltäglichen Szene-Events – infolge einer Fokussierung der Indie-Szene auf Musik – insbesondere in Form von Konzerten in Clubs bis hin zu Großevents bzw. Festivals einen ganz elementaren Stellenwert für den ‘Indie’ ein. Die starke Verteidigungshaltung gegen die vielgestaltigen Erscheinungen des ‘Mainstreams’ und dabei der Bezug auf die so wichtige Unbekanntheit und Natürlichkeit bedingen eine große Skepsis gegenüber allen als massentauglich wahrgenommenen oder gar ausgeschriebenen Erlebnis-Phänomenen. Dies betrifft (sogar) auch jene ‘Indie-(Rock-)Festivals’, welche sich aufgrund zehntausender Besucher und unzähliger Bands (mittlerweile) als ‘Megaevents’ verstehen – ungeachtet dessen, ob diese Festivals ursprünglich eigentlich aus der Szene für die Szene organisiert worden sind oder ob Major-Veranstaltungsagenturen neuerdings mit zusätzlichen Bühnen für ‘Indie’-Nachwuchsbands werben. Auch von diesen grenzt sich ein Teil der ‘Indies’ mehr oder weniger explizit/konsequent ab und meidet diese zugunsten kleinerer Festivals. Beispiele für die kleineren Events sind etwa das ‘Melt!’ oder das ‘Populario’.
Klar favorisiert werden demgegenüber die vielen Club-Konzerte vergleichsweise unbekannter, unabhängiger (Nachwuchs-)Bands im Kreise einer handvoll Zuhörer in oft fast privater Wohnzimmeratmosphäre. Dass jedoch dieser Vorzug keineswegs einhellig innerhalb der Szene geteilt wird, das lässt sich über die Entwicklungstrends der Vermassung- und Kommerzialisierung leicht nachvollziehen.
Treffpunkte
Im Gegensatz zu den Höhepunkten der außeralltäglichen Konzerte in Clubs oder ‘Megaevents’, trifft sich der ‘Indie’ mit seinem Freundeskreis täglich an ganz verschiedenen Orten, die je bestimmte Bedingungen erfüllen müssen. Ausschlaggebend ist nämlich (vor allem) eine private, intime Atmosphäre und (damit verbunden) die Möglichkeit zum ungestört-lockeren Gespräch, wobei zwischenmenschliche Themen (Freundschaft, Beziehung usw.) ebenso zum Ausdruck kommen, wie der erwähnte Austausch neuester Entwicklungen im Musiksektor. Über Diskussionen und Verhandlungen, ob diese oder jene Platte ‘indie’ ist oder eben nicht, wird die konkrete Auffassung von der ‘Indie-Szene’ stets aufs neue bestätigt und durch Hereinnahme neuer Musik erweitert. Dabei trifft man sich schon mal in den eigenen vier Wänden, oft jedoch tagsüber in gemütlichen Cafés und abendlich in Clubs zum geselligen Zusammensein und Tanzen in der Atmosphäre des einhellig wertgeschätzten und allgegenwärtigen ‘Indie-Klangteppichs’.
Neben dem Musikfokus kann also durchaus auch von einer Gesprächsorientierung gesprochen werden. Für das lockere Gespräch brauchbare Umgebungen sind damit für das Bestehen der vielen Kleinstgemeinschaften eben aufgrund des Kompetenzerwerbs und Austauschs von Wissen ausgesprochen wichtig, woraus sich gerade für die ganz alltäglichen Interaktionen die oben genannten besonderen Ansprüche an die Qualitäten der Treffpunkte artikulieren.
Medien
Wie bei vielen Szenen kommt dem Internet auch für die ‘Indies’ eine zentrale Bedeutung zu. Über globale Netzwerke wie vor allem ‘MySpace’, ‘Last.fm’, aber auch Wikis wie ‘Indiepedia’, Blogs und Internetmagazine werden Tourdaten und Hörproben oft direkt beim Künstler bezogen. Hier lassen sich auch stets neue, noch unbekannte Bands, Alben und Lieder entdecken und Hintergrundinformationen über Künstler gewinnen. Der direktere Kontakt zu Bands, die Vielfalt, Dynamik und Reaktionsgeschwindigkeit des Internets eignet sich bestens für die Anhänger einer Szene, die in ständiger Neu- und Wiederentdeckung von Musik einen zentralen Bestandteil ihrer Aktivitäten sieht. Außerdem dienen etwaige Plattformen aber selbstverständlich auch der Vernetzung der Szenegänger untereinander, dem Empfehlen und Besprechen von Musik, der Selbstdarstellung, dem globalen Informationsaustausch und dem Verabreden zum gemeinschaftlichen Erleben von Konzerten. Daneben sind aber auch immer noch traditionelle Printmedien innerhalb der Szene von Bedeutung. Szeneweit besitzt der englische ‘New Music Express’ einen großen Einfluss, der sich nicht nur aus seiner Wirkungsgeschichte sondern auch aus seiner Rolle bei der Entdeckung neuer Musik speist. Unter den deutschsprachigen Magazinen sind es vor allem die ‘Spex’, die kostenlose ‘Intro’, der ‘Musikexpress’ oder ‘UncleSallys’. Es handelt sich hier vorrangig um Musikmagazine, die Interviews und Kritiken über Neuveröffentlichungen publizieren. In einigen dieser Zeitungen finden sich auch vermehrt Modestrecken. Es zeigt sich also, dass die Rolle der Verbreitungsmedien aufs Engste mit der Musik, deren Künstlern und der Kleidung verzahnt ist.
Online- und Printmedien sind die meistgenutzten Verbreitungsmedien und für zwei szeneweit wirkende Mechanismen notwendig: Hype und Standardisierung der Musik. Das Phänomen des ‘Hypes’ beschreibt eine rasant ansteigende mediale Aufmerksamkeit gegenüber bestimmten Künstlern und eine extrem positive Bewertung der Produkte, die diese hervorbringen. Im Ausgleich, um eine allgemeine Verständigung innerhalb der Szene über die Musik zu ermöglichen, ist die Standardisierung von szeneweit relevanten Wissensbeständen notwendig. Hier ist vor allem Wissen über Musik und Kleidung gemeint, durchaus aber auch national bekannte Events, wie jährlich stattfindende Festivals oder auch landesweit bekannte Clubs der Szene. Dabei ist die Relevanz des Wissens durch ihren geschichtlichen Stellenwert festgesetzt oder aber durch das Auslösen eines entsprechend großen ‘Hypes’.
Darüber, dass gefundene Musik an den Szenestandards gemessen wird, lassen sich Rechtfertigungen finden, diese als ‘indie’ zu bezeichnen. Ganze ‘Bandkreuzungen’ lassen sich darüber konstruieren, um anderen Szenegängern diese Musik schmackhaft zu machen. Gleichzeitig sichert diese Form der Anbindung neuer Musik, dass der Szene und ihren Merkmalen über die Zeit hinweg eine gewisse Kontinuität zugeschrieben werden kann. ‘Hype’ und Standardisierung sind somit wichtige Elemente die für Stabilität und Wandel der Szene unabdingbar sind. Für den überregionalen bis globalen Austausch innerhalb der Szene werden dabei differenzierte und hoch entwickelte Verbreitungsmedien genutzt.