Szeneprofil:
Cosplay
Intro
Wer ihnen in der Stadt oder auf der Buchmesse über den Weg läuft, bei dem rufen sie ungläubiges Staunen und Irritationen hervor. Gerade so, als wäre man in ein Film-Set hineingestolpert: Jugendliche in schreiend bunten Kostümen, mit absurden Haarfarben und überlebensgroßen Spielzeugwaffen, die sich unentwegt gegenseitig fotografieren und in japanischem Kauderwelsch unterhalten.
Cosplay ist eine Praxis von Fans japanischer Comics (Manga), Trickfilme (Anime) und Videospiele. Der Anglizismus Cosplay (japanisch: kosupure) steht für ‘costume play’ und meint das Verkleiden und Posieren als eine fiktive Figur. Das Motiv hierfür ist das Fandom, also die affektive und intensive Beschäftigung mit ausgewählten kommerziell produzierten Texten.
Cosplay wird hauptsächlich auf den Veranstaltungen (so genannten Conventions) der Anime/Manga-Fanszene betrieben, also nicht im Alltag und in der Regel auch nicht im privaten Rahmen, sondern in der Szene-Öffentlichkeit. Im engsten Sinne gilt die Bezeichnung Cosplay nur für die Darstellung fiktiver japanischer Figuren aus Manga, Anime und Videospiel. Mit zunehmender Bekanntheit des Begriffs findet er jedoch auch für andere Kostümierungspraxen Verwendung – etwa in Bezug auf populäre westliche Figuren aus ‘Der Herr der Ringe’ oder ‘Harry Potter’. Diese weiter gefasste Definition kann gelten, solange sich dieses Cosplay im Rahmen der Anime/Manga-Fanszene abspielt, da viele Anime/Manga-Fans zugleich Figuren aus anderen Kontexten präferieren und auf gewohnte Weise durch Cosplay interpretieren.
Die Cosplay-Szene stellt eine eigenständige (Sub-)Szene innerhalb der deutschen Anime/Manga-Fanszene dar, die sich teilweise mit ihrer Ursprungsszene überschneidet, aber ebenso ihre eigenen Szene-Merkmale wie Rituale, Hierarchien und Treffpunkte herausgebildet hat.
History
Über die historische Lokalisierung des Phänomens Cosplay kann nur spekuliert werden. Bedingt valide Informationen über die Geschichte sind vorwiegend in der Szenemythologie zu finden: Demnach hat Cosplay seinen Ursprung im nordamerikanischen Science-Fiction-Fandom. Dessen Kostümierungspraxis wurde von japanischen Fans aufgegriffen und innerhalb ihres eigenen popkulturellen Kontextes modifiziert. Der Begriff Cosplay und die Praxis, die er heute im eigentlichen Sinne bezeichnet, entstanden in der Anime/Manga-Fanszene im Japan der späten 1970er und frühen 1980er Jahre.
In Deutschland verbreitete sich Cosplay zeitgleich mit dem wachsenden kommerziellen Erfolg japanischer Anime – v. a. im Zuge von ‘Sailor Moon’ (im dt. Fernsehen ab 1996) und den ersten Anime/Manga-Conventions, die seit 1999 regelmäßig stattfinden und Cosplayern einen Zugang in die Öffentlichkeit ermöglichten. Das Aufkommen von fanspezifischen Printmedien (wie z. B. das Magazin ‘AnimaniA’), die steigende Popularität von Manga (wie etwa ‘Dragon Ball’) sowie die immer dichtere kommunikative Vernetzung durch das Internet trugen zur Bildung der Szene wesentlich bei.
Die Szenegänger teilen die vergangenen Jahre bevorzugt nach der Qualität und Quantität der Cosplayer ein: Die Qualität der Kostüme, der Auftritte und der fotografischen Dokumentation ist gegenüber den Anfangsjahren gestiegen, die Online-Aktivitäten und Kontakte innerhalb der Szene haben sich stark intensiviert und durch den exponentiell gewachsenen Markt sind wesentlich mehr Anime, Manga und andere japanische Produkte in Deutschland erhältlich. Zudem ist die öffentliche Akzeptanz für Anime/Manga-Fans und Cosplayer gestiegen (wie z. B. bei der Leipziger Buchmesse, welche den Cosplayern inzwischen als Werbeträger dient). All dies wird von den Szenegängern positiv beurteilt. Die Vergrößerung der Szene, die steigende Popularität der Bezugstexte und die wachsende mediale Aufmerksamkeit haben aber auch zur Folge, dass die Szene etwas von ihrer Exklusivität und ihrer als familiär empfundenen Atmosphäre eingebüßt hat.
Literatur
Strukturen
Die Cosplay-Szene gilt, auch in ihrer Selbstcharakterisierung, als einsteigerfreundlich und offen. In Anlehnung an ihre maßgeblich durch das Internet geprägte Struktur findet man flache Hierarchien und eine relativ hohe Durchlässigkeit vor, so dass bereits Neulinge positive Resonanz für ihren öffentlichen Auftritt und ihr Kostüm erhalten. Dennoch zeichnet sich, auch aufgrund der Nähe zur Struktur und Organisation der Anime/Manga-Fanszene, eine Rangordnung ab, in der etablierte Cosplayer ganz oben stehen. Die Position in der Hierarchie ist wesentlich durch den Bekanntheitsgrad und die mediale Präsenz des Cosplayers in der Szene bestimmt. Hierzu gehört die Aktivität in Online-Communities und das häufige Auftreten mit neuen Kostümen auf öffentlichen Treffen. Eine wichtige Rolle für die Popularität des Cosplayers spielen seine Kostüme: der betriebene Aufwand, Originaltreue, handwerkliche Verarbeitung, Bekanntheit (oder auch Seltenheit) des Bezugstextes und der dargestellten Figur. Die Qualität und Präsenz der Fotos und der Live-Posen tragen dabei wesentlich zum Ansehen eines Cosplayers bei. Weitere, nicht zwingende Kriterien sind erfolgreiche Auftritte bei Wettbewerben oder als ‘Mitglied’ einer Showgruppe, ein Feature in Zeitschriften oder auf Websites sowie eine eigene Homepage. Aber nicht nur die mediale Präsenz, sondern auch ein freundliches, soziales und extrovertiertes Auftreten und Kontakte zu anderen Cosplayern, besonders wenn diese bereits szenebekannt sind, führen zu einem höheren Status.
Eine Organisationselite ist in der Cosplay-Szene kaum auszumachen, da sie vorwiegend die Events anderer Szenen (v. a. des Anime/Manga-Fandoms) nutzt und ihr Haupttreffpunkt, die Online-Communities, flache Hierarchien aufweisen. Mancher langjährige Cosplayer zieht sich nach und nach vom Kostümieren und von Treffen zurück, um vermehrt organisatorisch tätig zu werden, tritt damit aber im Bewusstsein der meisten Szenegänger in den Hintergrund.
Da die Masse der Bezugstexte nahezu unüberschaubar ist, gibt es kaum verbindliches Szenewissen in Form von Textkenntnis. Jedoch ist es akzeptanzfördernd, möglichst viele Texte zu kennen und Anspielungen darauf in virtuellen Beiträgen, Bühnenauftritten o. ä. zu verstehen. Entsprechend den Präferenzen für bestimmte Serien und Genres bilden sich mehr oder weniger stark abgegrenzte Untergruppen von Fans und auch von Cosplayern aus. Die meisten Cosplayer sind jedoch tolerant gegenüber anderen oder unbekannten Bezugstexten – die gemeinsame Textkenntnis steht nicht unbedingt im Mittelpunkt der Kommunikation, schafft aber zusätzliche Sympathien und Anknüpfungspunkte für engere persönliche Kontakte.
Fakten
Da die Präsenz in einschlägigen Online-Communities ein konstituierendes Kriterium für die Szeneidentität ist, bieten Zahlen der dort angemeldeten ‘Mitglieder’ eine erste Orientierung im Hinblick auf die Größe der Szene. In der größten deutschsprachigen Anime/Manga-Fan-Community ‘Animexx’ (www.animexx.de) sind ca. 9.000 der über 100.000 User mit mindestens einem Cosplay-Kostüm registriert. In der auch für deutsche Cosplayer immer mehr an Bedeutung gewinnenden internationalen (in den USA beheimateten und überwiegend englischsprachigen) Community www.cosplay.com sind ca. 700 User aus Deutschland angemeldet. Die Zahl der regelmäßig aktiven Cosplayer ist nach unserer Einschätzung im deutschen Raum mit mehreren hundert bis wenigen tausend zu beziffern. Cosplayer in Deutschland sind überwiegend Jugendliche im Alter zwischen 14 und 25 Jahren und mehrheitlich weiblich (ca. 70-80%).
Relations
Die Cosplay-Szene ist Teil der Anime/Manga-Fanszene und nutzt deren Strukturen. Bezüglich der Altersstruktur und Geschlechterverteilung unterscheiden sie sich aber deutlich: Der Anteil an männlichen und älteren Fans ist in der gesamten Szene höher als bei den Cosplayern. Cosplayer werden von Anime/Manga-Fans allgemein positiv angesehen, da sie Szene-Events durch ihre Anwesenheit und Performance bereichern.
Starke Überschneidungen bestehen auch mit der themenverwandten Visual-Kei-Szene – Fans japanischer Rockbands, die sich durch einen spezifischen ästhetischen Stil auszeichnen, der sich an Glam Rock, Gothic und traditionellem japanischem Theater orientiert. Auch Szenegänger der Visual-Kei-Szene betreiben Cosplay, allerdings dienen ihnen Musiker als Vorbild und sie tragen ihren Stil auch im Alltag zur Schau. Im Szenealltag und auf Events, bei denen beide Gruppierungen anzutreffen sind, grenzen sie sich oft voneinander ab, da die beiden Szenen unterschiedliche Werte und Stile vertreten.
Gothic Lolitas begreifen sich als eigenständige Szene, treten hierzulande aber auch als Untergruppe oder thematische Kategorie des Cosplay auf. Sie interpretieren keine konkreten Figuren aus einem Text, sondern tragen nach einem verbindlichen Stil-Kanon zusammengestellte Eigenkreationen und sehr oft auch gekaufte (Designer-)Kleider. Der Gothic Lolita-Stil ist ein nostalgischer Modetrend aus Japan, um den sich dort eine eigene Szene gebildet hat. Er ist inzwischen aber auch in das Charakterdesign von Anime- und Manga-Serien eingeflossen. Viele Cosplayer setzen im Laufe ihrer Szenekarriere auch das ein oder andere Lolita-Kostüm um und präsentieren es ganz regulär auf einer Szene-Veranstaltung. ‘Echte’ Gothic Lolitas verbinden mit Cosplayern allerdings kaum gemeinsame Themen und Einstellungen.
Fokus
Konstituierende Praxis des Cosplay ist das Sich-Verkleiden als eine fiktive Figur, die aus einer präferierten Erzählung (Anime, Manga oder Videospiel) stammt. Hierzu gehört die Beschäftigung mit dem Bezugstext (Lektüre, Suche nach oder Anfertigung von Abbildungen der Figur, Austausch mit anderen Szenegängern), die Anfertigung bzw. Zusammenstellung des Kostüms (gekaufte Kostüme sind ‘verpönt’), die Präsentation des Kostüms auf einer öffentlichen Veranstaltung (einem Event oder Szene-Treffen) und im Internet (in Online-Communities und ggf. auf der eigenen Homepage). Die Präsentation der eigenen Arbeit ist ein zentraler Aspekt der Cosplay-Praxis. Cosplayer teilen dabei nicht nur das Ergebnis ihrer Arbeit – das fertige Kostüm – mit der Szene-Öffentlichkeit, sondern präsentieren oft auch Zwischenergebnisse und tauschen sich über ihre Pläne, Fortschritte und Probleme mit anderen Cosplayern aus. Dies geschieht in den Online-Communities, deren regelmäßiger Besuch maßgeblich zum Entstehen einer Szene-Identität beiträgt. Untrennbar verbunden mit der Präsentation ist das Anfertigen von Fotos bzw. Posieren für die Kameras der Anwesenden.
Je nach Rahmung des Auftritts – Flanieren und soziale Interaktion auf dem Event, Posieren für Fotos oder Bühnenvorstellung – stellt der Cosplayer mehr sich selbst oder die fiktive Figur dar. Die meiste Zeit ist der Cosplayer ‘er selbst’, nur für kurze Vorführungen (z. B. beim Cosplay-Wettbewerb oder Fotoshooting) nimmt er eine fremde Rolle an. Die intensive Beschäftigung mit der Figur fließt dabei ebenso mit ein wie das Wissen um standardisierte Cosplay-Posen und Figurentypen sowie die eigene Körperlichkeit und Persönlichkeit. Dabei wechselt der Cosplayer permanent die Darstellungshaltung: Er tritt niemals vollständig hinter seine Rolle zurück, sondern die Differenz zwischen realem Menschen und fiktiver Figur bleibt sichtbar und wird oftmals sogar betont. Cosplay ist also nicht zu verwechseln mit Rollenspiel, bei dem eine ‘andere’ Identität erschaffen und in allen Aspekten nachgespielt wird, d. h. der Rollenspieler bemüht sich darum, eine möglichst starke Identifikation mit seiner Rolle zu erreichen.
Ein Cosplayer beschränkt sich nicht auf die Darstellung einer einzigen Figur, sondern fertigt in der Regel zu jedem Event ein oder mehrere neue Kostüme an. Zwar gibt es einzelne Figuren und Kostüme, die dem Cosplayer persönlich besonders wichtig sind; der Wechsel und die ständig neuen Herausforderungen sind aber ein wesentlicher Antrieb der Cosplay-Praxis. Dabei gilt es für den Cosplayer, virtuelle Identität und reale Präsenz auf Szene-Events in Einklang zu bringen und sich ein – trotz aller Kostümwechsel – wiedererkennbares Image aufzubauen.
Auf Conventions sind Cosplay-Wettbewerbe von zentraler Bedeutung – Cosplayer können sich hier einzeln oder in einer Gruppe mit einem Bühnenauftritt präsentieren. Die formale Struktur des Wettbewerbs ist geprägt durch die begrenzte Zeitspanne (bis zu drei Minuten), in der gemeinhin Bezugstexte entweder nachgespielt oder mit Sketchen, Parodien, Tanz und Gesang interpretiert werden. Eine Jury bewertet nach Kriterien wie Machart des Kostüms und Ähnlichkeit mit dem Original sowie Qualität der Darstellung (Personifikation der Figur, Originalität, Zuschauerresonanz). Was den kommunikativen Aspekt einer Convention betrifft, hat der Cosplay-Wettbewerb als Publikumsattraktion eine hohe Relevanz, bietet er doch Gesprächsstoff auch bei Cosplayern, die nicht teilgenommen haben.
Einstellung
In der Cosplay-Szene herrscht ein ausgeprägtes Bewusstsein für den unkonventionellen Charakter des eigenen Tuns – es kann aber nicht von einer für alle Cosplayer verbindlichen Weltanschauung oder Lebensweise gesprochen werden. Allenfalls wären einzelne Werte zu nennen, über deren Bedeutung ein Konsens herrscht: Beispielsweise Toleranz gegenüber dem Anderen und Fremden, die Cosplayer durch ihre eigene Tätigkeit bewusst von ihrer Umwelt einfordern und die sie auch selbst demonstrieren wollen.
Konkurrenz ist eine treibende Kraft in der immer größer werdenden Cosplay-Szene und wird solange positiv gesehen, wie sie sachlich betrieben wird und einen Antrieb für die eigene handwerkliche Arbeit darstellt: Das (unerreichbare) Ziel besteht darin, das perfekte Cosplay – die genaue Nachahmung von Aussehen und Posing – zu liefern; das erreichbare, immer wieder neu gesteckte Ziel ist es, sich beim nächsten Kostüm zu verbessern und eine (noch) größere Herausforderung zu meistern, bzw. ein bestimmtes Kostüm besser umzusetzen als andere Cosplayer.
Im Mittelpunkt steht zweifelsohne das Fandom, also die harmonische Gemeinschaft und der Spaß an der Sache – das sind Ideale, die Cosplayer in ihrer Selbstdarstellung und im Gespräch untereinander betonen. Insbesondere die Bedeutung des Spaßes, den die Cosplay-Praxis stets machen sollte, wird beständig hervorgehoben.
Lifestyle
Die Kostümierung und die Darstellung einer fiktiven Figur, also das eigentliche Cosplay, beschränken sich auf raum-zeitlich strikt abgegrenzte Bereiche. Außerhalb der regelmäßig stattfindenden Events und Szene-Treffen sind Cosplayer nicht füreinander oder für andere erkennbar. Höchstens die Begeisterung für japanische (Pop-)Kultur wird durch Symbole wie Buttons oder einzelne Accessoires und Kleidungsstücke ausgedrückt.
Cosplay bestimmt den Alltag und die Lebensplanung eines Cosplayers mehr oder weniger stark durch die zeit- und geldaufwändige Aktivität der Kostümanfertigung, die gerade in den Wochen vor einem Event immer mehr in den Mittelpunkt rückt. Dieser ‘Stress’ wird unter Cosplayern häufig thematisiert und kann sogar als Szene-Ritual angesehen werden. Kostümanfertigung und -präsentation können befriedigende Erlebnisse produzieren und die Bindung sowohl zum Kostüm als auch zum Bezugstext verstärken. Die intensive Beschäftigung mit dem Text und die Arbeit am Kostüm gehen Hand in Hand oder wechseln sich ab.
Symbole
In der Öffentlichkeit werden in der Regel keine Symbole getragen, die eine Zugehörigkeit zur Cosplay-Szene erkennbar machen. Auf Szene-Veranstaltungen sind Cosplayer aber erkennbar durch das Tragen eines Kostüms. Obgleich sie nicht mit jedem Bezugstext vertraut sind, erkennen Cosplayer wiederkehrende Typen von fiktiven Figuren (z. B. Catgirl, Schulmädchen) und deren Accessoires und Posen. Diese zitieren sie in ihrer eigenen Darstellung, was besonders bei selbst kreierten Kostümen deutlich wird – für die Eingeweihten sind diese nicht nur als Cosplay-Kostüme erkennbar, sondern auch der dargestellte Figurentyp und Zitate aus bestimmten Serien oder Genres können vom Betrachter zugeordnet werden. Cosplayer kennen wiederkehrende Topoi und Symbole in Anime, Manga und Videospielen und parodieren diese z. B. bei ihren Bühnenauftritten.
Sowohl in der virtuellen als auch in der papiergestützten Kommunikation werden unter Cosplayern so gut wie immer so genannte Emoticons oder Animemoticons verwendet. Diese Zeichenkombinationen aus der Chatter-Sprache, welche die Funktion von Bildsymbolen haben und bestimmte Stimmungs- oder Gefühlslagen ausdrücken, kommentieren das Geschriebene, verstärken eine Aussage oder schwächen sie ab. Meist handelt es sich dabei um stilisierte Gesichtsausdrücke von Manga- oder Animefiguren.
Als Symbole können auch die Werkzeuge und Materialien gelten, die Cosplayer zur Anfertigung ihrer Kostüme benötigen und die (zumindest zeitweise) viel Raum in ihrem Lebensbereich einnehmen: Nähmaschine und Nadeln, Heißklebepistole, Stoffe, Perücken, Bastelmaterial – aber auch zerstochene oder verbrannte Finger. Erfahrungen und Utensilien, die bei Außenstehenden Befremdung hervorrufen, erzeugen unter Cosplayern Komplizenschaft.
Die Cosplay-Szene gerät mit wachsender Größe und (Medien-)Präsenz zwar zunehmend in den Blick der Öffentlichkeit, ist aber zum einen noch nicht bekannt genug, um von Außenstehenden korrekt identifiziert zu werden, zum anderen fehlen eindeutige Symbole. Daher ‘dienen’ die oben genannten Symbole allenfalls als Erkennungszeichen untereinander bzw. der Abgrenzung von Gruppen innerhalb der Anime/Manga-Fanszene und der Cosplay-Szene.
Rituale
Ein wichtiges Ritual von Cosplayern auf Events und kleineren Cosplayer-Treffen sind Fotoshootings, die von Hobby-Fotografen oder den Cosplayern selbst durchgeführt werden und bei denen bestimmte Verhaltensmuster (wie z. B. Posings) erwartet und interaktiv (re)produziert werden. Zum einen sind solche Fotoshootings Teil der Selbstinszenierung der Cosplay-Szene, zum anderen werden Fotografien als Honorierung aufgefasst und dienen als zusätzliche Motivation. Die Fotos werden anschließend im Internet veröffentlicht und ausgetauscht – sowohl die Produktion als auch die Verwendung von Fotos kann als sozialer Prozess verstanden werden, dem eine szene-konstituierende Bedeutung zukommt.
In den Online-Communities stellen Cosplayer ihre eigenen Kostüme in Wort und Bild vor und kommentieren die Kostüme anderer Cosplayer. Ziel dieser (Selbst-)Präsentation ist es, positives Feedback und konstruktive Kritik zu bekommen und sich gegebenenfalls darüber hinaus mit anderen Cosplayern auszutauschen.
Zur Szene-Identität eines Cosplayers gehört der so genannte ‘Nickname’, d. h. ein selbstgewählter Alias, der sich typischerweise auf eine Lieblingsfigur bezieht und japanisch klingt. Der bürgerliche Name wird in der virtuellen, aber auch in der face-to-face Kommunikation selten genannt; üblicherweise spricht man sich mit dem jeweiligen ‘Nickname’ an.
Events
Überregionale Events stellen die bedeutsamsten Ereignisse der Cosplay-Szene dar. Dazu zählen neben den Conventions der Anime/Manga-Fanszene v. a. die Buchmessen in Frankfurt und Leipzig. Die größten Conventions sind die ‘AnimagiC’ (in Bonn) und die ‘Connichi’ (in Kassel). Kleinere und größere Conventions finden das ganze Jahr über an verschiedenen Orten in ganz Deutschland statt und dauern in der Regel zwei bis drei Tage.
Conventions bieten neben Verkaufsständen mit importierten Merchandise-Artikeln zahlreiche Unterhaltungsangebote wie Anime-Video-Vorführungen und ein umfangreiches Showprogramm, das von Fans und japanischen Gästen gestaltet wird. Dabei geht es nicht nur um die Fan-Gegenstände Anime, Manga und Videospiele, sondern es wird ein allgemeines Interesse an der japanischen Kultur bedient.
Cosplay ist eine der Hauptattraktionen auf einer Convention. Der Cosplay-Wettbewerb ist inzwischen fester Bestandteil jeder Veranstaltung und die zahlreichen Cosplayer machen nahezu die Hälfte des gesamten Publikums einer Convention aus. Im Mittelpunkt eines Events steht für Cosplayer weniger das dort präsentierte Programm, als vielmehr das soziale und ästhetische Erlebnis mit anderen Cosplayern – das Sehen und Gesehenwerden. Sie treffen Cosplayer, die sie z. B. aus Online-Communities bereits kennen oder knüpfen neue Kontakte, wozu meist das Kostüm und die gemeinsame Vorliebe für bestimmte Texte den Anlass bieten.
Die besondere Bedeutung eines Events liegt für den Cosplayer auch darin begründet, dass er hier meist ein neues Kostüm vorstellen kann, welches er extra für diesen Anlass hergestellt hat (und welches mitunter nur dieses eine Mal getragen wird). Cosplayer arbeiten daher in der Regel gezielt über mehrere Wochen oder Monate auf ein bevorstehendes Event hin.
Treffpunkte
Neben den etablierten Versammlungsorten, den zyklisch stattfindenden überregionalen Events, konstituiert sich die Cosplay-Szene auf lokal begrenzten Cosplayer-Treffen und v. a. im virtuellen Raum des Internets als permanentem ‘Treffpunkt’. Treffen werden in der Regel über den Event-Kalender der Online-Community ‘www.animexx.de’ angekündigt. Bereits seit den Anfängen des Anime/Manga-Fandoms in Deutschland gibt es regelmäßige Treffen und Stammtische, bei denen sich die Fans in kleinem Kreis austauschen können.
Wer mit Cosplayern aus der eigenen Stadt oder Region befreundet ist, trifft sich darüber hinaus teilweise auch privat mit ihnen. Diese Beziehungen werden an die Szene zurückgebunden, wenn z. B. Fotos von privaten Treffen und Fotoshootings in Online-Communities veröffentlicht werden und wenn später aus der engen Zusammenarbeit und Freundschaft gemeinsame Cosplay-Auftritte entwickelt werden.
Medien
Von grundlegender Bedeutung für die Teilhabe an der Cosplay-Szene ist zunächst die Rezeption von Bezugstexten wie Manga, Anime oder Videospiel. Intensiver Medienkonsum ist Teil des Lifestyles eines Anime/Manga-Fans und somit auch des Cosplayers.
Auch kommerzielle Manga- und Anime-Magazine (wie z. B. ‘AnimaniA’) spielen eine wichtige Rolle als Kommunikationsmittel. Diese berichten nicht nur über Conventions – bevorzugt mit Fotos von Cosplayern – sondern widmen auch einzelne Seiten ausschließlich dem Cosplay. Während diese Zeitschriften früher eine große Rolle für das Herstellen von Kontakten innerhalb der Szene spielten, kommt diese Funktion heute jedoch fast ausschließlich dem Internet zu. Den höchsten Stellenwert als Medium hat dementsprechend das Internet – die Präsenz in Online-Communities ist essenziell für Cosplayer. Es dient als virtuelles Kontaktmedium und treibende Kraft der Szene, mit dessen Hilfe man sich medial vermittelt begegnet, als Szene näher zusammenrückt und sich mit ihr auseinander setzt.
Allgemein üblich ist die (parallele) Nutzung von öffentlichen und privaten Diskussionsforen, Chats, Instant Messaging Systemen oder von File-Sharing-Anbietern zum Bilder-Austausch. Regelmäßige, am besten tägliche Interaktion mit anderen Fans und Cosplayern im Internet ist zwar nicht verpflichtend, bestimmt aber maßgeblich das Prestige und die Präsenz in der Szene sowie die Dichte des sozialen Netzwerks, in das der einzelne Cosplayer in der Szene eingebunden ist.