Szeneprofil:
Fixie
Intro
Im Zentrum des Interesses der Szene steht das Fahrrad, allerdings nicht irgendein Fahrrad, sondern das schnellste, das für den Einsatz auf den Asphaltstraßen einer Großstadt vorstellbar ist, das Bahnrad. Es verfügt im ursprünglichen Zustand über keinen Freilauf, also eine starre Hinterradnabe (englisch „Fixed Gear“, daher der Jargonbegriff „Fixie“). Das Bahnrad ist der Archetyp eines Fahrrads: keine Klingel, kein Schutzblech, kein Dynamo, vor allem aber: Keine Schaltung, kein Freilauf und zumeist auch keine Bremsen. Was puristisch aussieht und sich gefährlich anhört, bedeutet für Szeneangehörige mehr als nur Fahrradfahren. Der starre Gang bringt in Verbindung mit dem entsprechendem fahrerischem Können ein Höchstmaß an Kontrolle über den Vortrieb und wird vielfach als Kern einer Lebenseinstellung gesehen, die auf der unmittelbaren Verbindung zwischen Muskelkraft und Fahrrad beruht, das deshalb gerne als Verlängerung des eigenen Körpers verstanden wird. Körperliche Leistung und das leichte, schnelle Rad sind die Grundlage für ein Lebensgefühl umfassender individueller Freiheit und größtmöglicher Mobilität im urbanen Raum. Die schnelle Fortbewegung mit dem Fixie erfordert ein hohes Maß an Konzentration und besonders vorausschauendes Fahren. Oft findet das unter flexibler Ausdeutung der Verkehrsregeln statt, was Fixie-Fahrern einen entsprechend schlechten Ruf in vielen Medien bringt. Perfekte Beherrschung des Fahrrads spielt in der Szene eine große Rolle. Geteilte Erfahrungen auf den Straßen und ein expressiver Kleidungsstil zwischen Streetwear und Funktionskleidung in Kombination mit Tattoos, symbolisch aufgeladenen Accessoires und gemeinschaftlichem Bierkonsum, lassen eine Szene erscheinen, die sich insbesondere in der Tradition ihrer Helden, der draufgängerischen Fahrradkuriere sieht, die dieses Fahrrad weltweit verbreiteten und populär machten.
History
Vor Erfindung der Freilaufnabe 1903 besaßen alle Fahrräder einen starren Gang. Während die technische Ausstattung von Rädern zu Mobilitätszwecken seitdem technisch immer weiter verbessert wurde, blieb die technische Konfiguration im Fahrrad-Bahnsport fast unverändert. Bei Rennen in Velodromen gibt es keine Hindernisse, Steigungen oder Gefälle, einzig der Vortrieb zählt. In den 1980er Jahren sollen die ersten Bahnrad-begeisterten jungen Männer dieses Fahrrad auch in den Großstädten an der Westküste der USA für ihre Arbeit als Fahrradkuriere eingesetzt haben, bei der hohe Geschwindigkeit bares Geld bedeutete. Die Vorzüge des Fixed Gear Bikes, für das sich hier der Jargonbegriff „Fixie“ etablierte, lagen neben der hohen Geschwindigkeit und der aggressiven Fahreigenschaften insbesondere in der geringen Wartungsintensität und im geringen Gewicht, weshalb es stets mitgenommen werden konnte und so nicht der Gefahr des Diebstahls ausgeliefert werden musste. Im Kontext des Fahrradkurierwesens kann das Fixie als Kern eines umfassenden Lebensstilpakets angesehen werden, zu dem insbesondere auch die Entwicklung eines distinkten Kleidungsstils zählte. Funktionskleidung, speziell entwickelte Kuriertaschen und Cyclecaps wurden mit gebrauchter Armeekleidung kombiniert, wodurch sich Kuriere klar von Radprofis, sportlichen Freizeitradlern und modeorientierten Jugendszenen abgrenzten. Fahrradkuriere vernetzt sich traditionell weltweit, verbreiteten seit den 1980er Jahren ihren Stil durch Auslandsaufenthalte und Reisen zu Wettkämpfen, insbesondere zu von Radkurieren organisierten Alleycats in Städten weltweit (siehe Rituale).
Heute kann der Trend des Fixed Gear in vielen Teilen der Welt als relativ unabhängig vom Fahrradkurierwesen betrachtet werden. Für die Aktivitäten der Szene spielen Kuriere meist nur mehr eine eher untergeordnete Rolle, das Kurierwesen ist dagegen vielfach nur noch ein schlecht bezahlter Job. Dennoch ist die Geschichte der Verbreitung des Bahnrads auf den Straßen der Großstädte ein wichtige Narration, die geradezu zum Grundwissen der Szene gehört. Neben dem schnellen Fahren in der Stadt sind mit dem Fixie noch weitere „Disziplinen“ möglich und sind in Teilen der Szene verbreitet. Dazu gehört der Bahnsport, Bike Polo und Trickbike, also akrobatische Tricks mit dem Rad: Stehen („track stand“), Fahren auf dem Hinterrad, Rückwärtsfahren etc.
Literatur
Edwards, Andrew ; Leonard, Max: Fixed: Global Fixed-Gear Bike Culture : Laurence King Publishers, 2009
Fincham, Ben: Bicycle Messengers: Image, Identity and Community. In: Horton Dave, D. ; Rosen, P. ; Cox, P. (Hrsg.): Cycling and Society. Aldershout : Ashgate, 2007
Walker, Amy: On Bicycles: 50 Ways the New Bike Culture Can Change Your Life : New World Library, 2011 — ISBN 9781608680221
Strukturen
Die Fixie-Szene kann als globales Netzwerk von lose miteinander verbundenen lokalen Gruppen und Einzelpersonen angesehen werden. Sichtbar und erlebbar ist sie einerseits durch einschlägige Medien (siehe Medien), andererseits bei Events vor Ort.
In Städten rund um den Globus von L.A. über London, Leipzig, Novosibirk bis Jakarta gibt es lokale Gruppen, die Events durchführen und stark identitätsstiftende Kristallisationspunkte für die Vergemeinschaftung Fixed-Gear-Begeisterter darstellen. Diese Gruppen sind im Kern meist fest gefügte Freundeskreise, in denen szenetypisches Wissen und Können weit verbreitet ist.
Die Gruppen sind offen und zumeist wenig organisiert, Zugang findet, wer über ein Fahrrad und die einschlägigen Kontakte verfügt, um von lokalen Events zu erfahren. Zum Szene-Grundwissen für Einsteiger gehören zumindest Kenntnisse über die Kulturgeschichte des Fixed Gear, wie unter History dargestellt. Wer länger in der Szene verbleibt, lernt dazu und kann mit einschlägigen Kompetenzen Reputation erlangen. Verschiedene Bereiche sind dabei relevant: Wissen über technische Zusammenhänge und handwerkliche Kompetenz bei Bau und Reparatur, Fahrerisches Können und hohe Leistung (etwa bei Rennen), Kenntnis des einschlägigen Marktes, Wissen über die soziale Struktur der Szene und Qualität und Quantität persönlicher Kontakte im Szene-Netzwerk.
Einzelne Personen pflegen globale Kontakte und unternehmen Fernreisen zu Szenegemeinschaften rund um den Globus. Oft sind das Menschen, die auch medial vermittelt mit Szeneangehörigen in anderen Erdteilen kommunizieren und z.B. Blogs betreiben. Die gemeinsame Orientierung, ein gemeinsamer Wissensbestand und einschlägige Symbole, vor allem das Fixed Gear Fahrrad selbst, machen die Verständigung leicht. Wer als Fixie Fahrer in eine fremde Stadt in einem fremden Land kommt und dort einigermaßen aktiv nach lokalen Szeneausprägungen sucht, kann sich der Offenheit lokaler Gruppen sicher sein und Unterstützung, etwa in Form von Übernachtungsgelegenheiten etc. erwarten.
Fakten
Die Größe der Szene lässt sich schlecht an der Anzahl von Besitzern von Fixed Gear Fahrrädern festmachen. Von vielen Nutzern werden solche Räder auch schlicht als Konsumgegenstand ohne bewussten Bezug zur Szene angesehen, das Fixie liegt derzeit ganz allgemein im Trend. Wie in anderen Szenen gilt auch hier: Dazu gehört, wer dabei ist. Die Beteiligung an Szene-Events wie Nightrides oder Alleycats (siehe Rituale & Events) deutet in großen europäischen Städten wie Berlin auf ein lokales Netzwerk von wenigen hundert Szeneangehörigen hin, von denen jeweils etwa ein Dutzend als „Szenemacher“ identifiziert werden kann, weil sie durch die Organisation von Events oder den Betrieb von Szene-Blogs auffallen. Gruppenseiten auf Facebook stellen ein weiteres Indiz für die Größe der Szene dar, die Seiten von lokalen Gruppen in deutschen Großstädten (wie etwa „FxdNostra Berlin“, oder „iFixed Munich“) erreichen schnell weit über hundert „likes“. Über Medien wie Blogs und überregionale Aktivitäten im deutschsprachigen Raum, etwa auf Messen, können sie ihre Bekanntheit auf derzeit bis zu ca. 1500 „likes“ steigern. Die international bekanntesten Gruppen, wie etwa Macaframa aus San Francisco, erreichen etwa das zehnfache an Aufmerksamkeit.
Die Fixie-Szene ist im Durchschnitt etwas älter als viele andere Jugendszenen. Dies könnte an den hohen Kosten für das Material liegen, wie auch daran, dass viele Szene-Events nachts stattfinden. Als Einstiegsalter sind ca. 17 Jahre typisch, der Durchschnitt liegt zwischen 20 und 25 Jahren. Die Organisationselite ist wie auch in anderen Szenen zumeist etwas älter. Diese Treiber der Szene sind meist vermittelt durch ihre Erwerbsarbeit stark in die Aktivitäten der Szene involviert, sie arbeiten meist als Fahrradkuriere, Mechaniker, Besitzer von spezialisierten Fahrradläden oder vermarkten szeneorientierte Marken für Fahrradteile oder Taschen über konsumorientierte Blogs.
Im Verhältnis ist die Fixie-Szene überwiegend männlich. Das genaue Verhältnis variiert allerdings, je nach Veranstaltung, deutlich. Während bei Alleycats (siehe Rituale) Frauen weniger als ein Zehntel der Teilnehmer ausmachen, sind sie bei Nightrides oder anderen geselligen Gruppenaktivitäten wie Stammtischen, Roller-Racing-Events oder Rennen auf abgesteckten Strecken etwa zu einem Drittel vertreten.
Relations
Die Fixie-Szene ist eng verbunden mit der Fahrradkurier-Szene, die als ihr Kern gelten kann, um den herum sich die Fixie-Sinnwelt gebildet hat, die heute mehrheitlich von Freizeitfahrern bevölkert wird.
Ansonsten kann sie als ausgesprochen unabhängig von anderen Szenen angesehen werden. Was den Kleidung und Musikgeschmack angeht, gibt es Überschneidungen mit Lebensstilformationen im Bereich Skateboarding, Streetwear, Harcore, die aber nicht als typisch für die Fixie-Szene gelten können.
Nur vereinzelt gibt es Überschneidungen mit anderen mehr oder weniger szeneartigen Gebilden, für die Fahrradfahren im Zentrum steht, etwa in den verschiedenen Bereichen des Radsports, insb. des Bahnradsports.
Fokus
Im Kern entspringt die Verbreitung des Fixed Gear auf den Straßen zunächst dem Bedürfnis nach einem Maximum an räumlicher Mobilität in den hoch verdichteten Bereichen der Großstadt. Aus Sicht der Szeneangehörigen ist das Starragangrad ideal an diese Umgebung angepasst. Auch wenn andere Fahrradtypen wie Renn- oder Trekkingräder größere Höchstgeschwindigkeit und Vielseitigkeit ermöglichen, das Fixie bietet andere Vorteile: Weniger Gewicht, geringere Fehleranfälligkeit, weniger Verschleiß und ein direkteres Fahrgefühl. Um mit dem Rad aber tatsächlich hohe Geschwindigkeiten zwischen Start- und Zielort erzielen zu können, sind mehrere Aspekte relevant: Körperliche Leistung, technisch hochwertiges Material, fahrerisches Können, Mut und ein guter Orientierungssinn stellen die zentralen Werte dar. Für Fixiefahrer, die sich in die Szene einbringen, gehören diese Aspekte oft zusammen. Fahrerisches Können wird etwa durch die Beherrschung von Tricks wie dem Rückwärtsfahren oder dem „track stand“, also dem Stehen auf dem Rad ohne die Füße auf den Boden abzustützen, dargestellt.
Einen hohen Wert besitzt das eigene, zumeist selbst, aber stets individuell aufgebaute und oft sehr hochwertige Fahrrad. Ein Fahrrad „von der Stange“ zu fahren entspricht nicht dem szenetypischen Ideal. Ziel ist es, ein Rad zu haben, das möglichst gut passt und die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringt. Das Ideal des individuellen Rads bezieht sich also auf zwei Aspekte: Zum einen auf die Funktionalität in Form von Passgenauigkeit, zum anderen auf die Ästhetik, etwa in Form einer eigenen Farbzusammenstellung oder individuelle Kombination von hochwertigen Anbauteilen. Für ersteres wird es als erstrebenswert angesehen, ein Fahrrad zu fahren, bei dem die Sitzposition in dem Sinne ideal ist, dass ein Maximum an Energie in Vortrieb umgesetzt werden kann. Während Einsteiger lediglich versuchen, einen Fahrradrahmen mit ungefähr ihrer Schrittlänge angemessener Sattelrohrlänge zu bekommen und dann die Sattelhöhe und Lenkerposition variieren, versuchen eingefleischte Fixie-Fahrer bisweilen, einen Grad an Optimierung zu erreichen, der dem „bike fitting“ im Profisportbereich nahe kommt. Wer sich intensiv mit der individuellen Anpassung seines Fahrrads beschäftigt, schafft damit einen Wert, der in Geldwert nur schwer zu beziffern ist.
Entsprechend ist der Schutz des eigenen Rades vor Diebstahl Gegenstand von Maßnahmen, die auf Außenstehende zum Teil befremdlich wirken. Das eigene Rad wird keinesfalls für längere Zeit auf der Straße zurückgelassen, sofern möglich wird es mitgenommen, etwa in die eigene Wohnung oder auch zu Besuch. Falls das nicht möglich ist, wird es mehrfach angeschlossen. Für sichere Schlösser geben Szeneangehörige mitunter viel Geld aus. Wird dennoch ein Rad gestohlen, zeigen Szeneangehörige ein hohes Maß an Solidarität und bringen eine einstimmige Anti-Diebstahl-Haltung zum Ausdruck. Wie auch immer einzelne zu anderen Normen und Gesetzen stehen, Fahrraddiebstahl gilt szeneübergreifend als schlimmes Verbrechen.
Im „Urzustand“, wie es im Bahnsport verwendet wird, verfügt das Fixie weder über Bremsen noch über einen Freilauf. Geübte Fahrer beherrschen das Rad dennoch zumeist gut. Trotzdem ist es vielen, insbesondere Einsteigern zu gefährlich, ohne Bremsen im Stadtverkehr zu fahren. Auch der fehlende Freilauf bedarf der Übung. Die spartanische Ausstattung der Räder steht zudem in Gegensatz zur StVZO. Daher sind Konflikte mit der Polizei vorprogrammiert. Häufig werden Fixies ohne Bremsen daher beschlagnahmt.
Inzwischen sind Abwandlungen des ursprünglichen Typus des Bahnrads weit verbreitet, insbesondere das in Form des meist als „Singlespeed“ bezeichneten Rads mit Freilaufnabe, das geringere Ansprüche an das Können des Fahrers stellt.
Einstellung
Die feste Verbindung zwischen Antrieb des Fahrrads und dem Köper des Fahrers oder der Fahrerin kann als hunderprozentiges Commitment verstanden werden. Jeder Meter, der gefahren wird, muss auch getreten werden. Schnell fahren heißt schnell treten, langsam fahren heißt langsam treten. Diese ursprüngliche Form des Fahrradfahrens wird oft als Lebenseinstellung beschrieben. Mit einem Rennrad über die Alpen zu fahren ist nichts besonderes, mit einem Fixie dagegen schon. Eine Tagesetappe von 100 Kilometern ist für geübte Tourenradler oft normal, Fixie-Fahrer dagegen beanspruchen dabei ihren Körper enorm. Auch wenn solche Touren nicht das „normale“ Einsatzgebiet für ein Fixie sind, sie zeigen in Extremform, was die Reduktion auf die einfachst denkbare Fahrradtechnik bedeutet.
Wie unter „Fokus“ angedeutet, ist die Fixie-Szene durch typische Werte charakterisiert: Körperliche Leistung, räumlich Orientierung in der Stadt, hochwertiges Material sind wichtige Werte. Unangepasstheit und subkultureller Charme, der etwa hohem Bierkonsum, Tattoos und Piercings anhaftet, ergänzt dieses Bild.
Lifestyle
Der Lifestyle in der Fixieszene ist geprägt durch Informalität und Unangepasstheit. Gemeinsames Biertrinken bildet den Rahmen für Veranstaltung wie Rennen und gemeinsame Ausfahrten.
Der typische Kleidungsstil ist betont lässig und gekennzeichnet durch eine zunächst paradox anmutende Kombination von Sportlichkeit und Abgrenzung gegenüber dem Sport. Sportlich anmutende Funktionskleidung wie lange Radhosen, Klickpedal-Schuhe, Trikots und Cyclecaps werden kombiniert mit Kapuzenpullis, kurzen Hosen, häufig ausgemusterten Armyhosen oder abgeschnittenen Jeans oder Streetwear-Elementen.
Unangepasstheit und subkulturelle Anlehnung kommt durch Tattoos zum Ausdruck, die oft in Verbindung mit Fahrrad-Symbolik stehen. Teil der Symbolik, die auf T-Shirt-Aufdrucken, Aufnähern oder ähnlichem Verwendung findet, ist eine Oppositionshaltung zum Haupt-„Gegner“, der Polizei.
Beliebte Slogans, die das Lebensgefühl zum Ausdruck bringen sollen sind „Fixed Gear is not a crime“, „My legs are my gears“ etc.
Marken aus dem Profisportbereich stehen hoch im Kurs, insbesondere traditionsreiche italienische Fahrradmarken. Neue Marken, etwa für Kleidungsstücke oder Fahrradteile, etablieren sich häufig autonom in der Szene und erhalten ihr Renomeé durch das Szene-Engagement der Macher. So sind etwa durch die aktive Entwicklungsarbeit von Fahrradkurieren millionenschwere Hersteller von Kuriertaschen entstanden, die weltweit verkauft und getragen werden und zum Teil mehrere hundert Euro kosten.
Ein Job in der Fahrradbranche gilt in der Fixie-Szene als erstrebenswert, was zwischen Mechaniker, Verkäufer und Unternehmer unterschiedliche Ausmaße annehmen kann. Bei diesen Personen handelt es sich oft um Vollzeit-Szene-Involvierte, die Masse der Szenegänger geht Jobs, Ausbildungen oder einem Studium nach, das nicht direkt mit dem Fahrrad in Verbindung steht.
Symbole
Wichtigstes Symbol in der Fixie-Szene ist das Fixie selbst. Es ist für Interessierte anhand einiger technischer Spezifika leicht zu erkennen und in seiner Zusammenstellung eingeschätzt. Die Qualität eines Aufbaus kann anhand der verwendeten Teile und der Sinnhaftigkeit ihrer Kombination schnell erkannt werden. Das Fahrrad selbst bietet daher stets einen wichtigen Anlass für Unterhaltungen. Ein hochwertiges Fahrrad erfüllt in der Szene oft die Funktion eines Statussymbols. Wichtige Erkennungszeichen für hohe Qualität sind einschlägig bekannte und entsprechend teure Marken. Vor allem altehrwürdige italienische Markennamen aus dem Profisportbereich werden gerne auf Rädern, aber auch Kleidungsstücken o.ä. gezeigt. Dazu zählen zum Beispiel Cinelli, Colnago, Pinarello, Campagnolo, etc.
In der Szene beliebt sind derzeit sog. Cyclecaps, Kappen, wie sie im Rennradsport in den 1970er und 80er Jahren weit verbreitet waren. Der nach oben aufgestellt Schirm zeigt entweder einen solchen bekannten Markennamen oder den Namen einer Stadt, wodurch regionaler Bezug zum Ausdruck gebracht werden kann. Bezug zur eigenen Stadt kommt auch im Namen von lokalen Gruppen zum Ausdruck: FxdNostra Berlin, iFixed Munich, Stuttgart Fixed, usw.
Eine wichtige Symbolfunktion hat die Speichenkarte, die sog. Spokecard. Bei Rennen, insb. bei Alleycats (s. Rituale), tragen die Teilnehmer meinst eine Startnummer auf einer laminierten Karte, die zwischen die Speichen geklemmt wird. Diese Karten sind ausßerdem zumeist beschriftet mit Namen und Logo der ausrichtenden Gruppe, oft auch von Marken, die beim Rennen als Sponsoren auftreten. Spokecards werden oft auch nach dem Rennen noch eine gewisse Zeit im Rad belassen und zeigen so die Szene-Involviertheit des Fahrers an. Gesammelt werden sie meist nicht am Rad, eine große Anzahl zwischen den Speichen bringt aber nicht zwangsläufig hohes Prestige.
Eine wichtige Symbolfunktion erfüllt außerdem die Kuriertasche. Solche Taschen sind oft Ergebniss jahrelanger Entwicklungsarbeit und in Handarbeit hergestellt. Marken wie bagaboo, Chrome oder Dock11 gehen auf das Engagement oder zumindest die Einbeziehung (ehemaliger) Fahrradkuriere zurück. Sie kosten mitunter mehrere hundert Euro und stellen wichtige Statussymbole dar.
Rituale
Die Rituale der Fixie-Szenne sind insbesondere gekennzeichnet durch informellen, geselligem Charakter. Viele Gruppen haben feste Stammtische, wo sie sich regelmäßig treffen. Neben der Kommunikation über Neuigkeiten aus der Fahrradwelt und die Planung von Events spielt immer auch das gemeinsame Fahrradfahren eine wichtige Rolle. Viele Gruppen treffen sich daher auch zunächst zu gemeinsamen Ausfahren, die oft am Wochendende oder abends stattfinden. In der Gruppe zu fahren wird oft als besonderes Erlebnis wahrgenommen.
Ein weiteres für die Szene wichtiges Ritual des gemeinsamen Fahrradfahrens, ist die regelmäßige Beteiligung an der critical mass, einer Protestveranstaltung, die in den 1990er Jahren von SanFrancisco aus weltweit verbreitete und bei der die Fixie-Szene auf andere Fahrradkulturen trifft. Die critical mass findet einmal pro Monat in vielen großen Städten weltweit gleichzeitig statt, meist freitags abends. Es handelt sich um eine Demonstration, die beansprucht keine Demonstration zu sein: Teilnehmer treffen sich an einem zuvor vereinbarten Ort und fahren in gemächlichem Tempo gemeinsam durch die Stadt, in vielen Städten wie Hamburg inzwischen zu Hunderten. Dies stellt eine Möglichkeit dar, den eigenen fahrradbezogenen Lebensstil auszuleben, ein politisches Statement abzugeben, gleichgesinnte Freunde zu treffen und das eigene Fahrrad herzuzeigen. Vielen Angehörigen der Fixie Szene ist das gemächliche Radeln bei der cm allerdings zu langsam, sie bevorzugen Rennen (siehe Events).
Events
Neben den unter „Rituale“ genannten ist die Fixed Gear Szene auch bei weniger regelmäßig stattfindenden Events aktiv. Dazu gehören insbesondere verschiedene Formen von Rennen, aber auch eher gesellige Veranstaltungen, sowie Messen, bei denen sich szenenahe Unternehmen präsentieren.
Das Fixed Gear Fahrrad ist ursprünglich ein Rad, das für Rennen auf Rennbahnen gebaut wurde. Immer wieder organisieren lokale Gruppen derartige Rennen, bei denen es ausschließlich um Geschwindigkeit geht, häufig nachts in der Stadt, aber auch am Wochenende auf Strecken abseits der Straßen.
Eine Sonderform ist das Alleycat, ein nächtliches Rennen im öffentlichen Stadtraum, das in der amerikanischen Kurierszene seinen Ursprung hat und sich seitdem weltweit verbreitete. Es handelt sich um ein Rennen, das einer Schnitzeljagd ähnelt, hierbei wird in Wettkampfform die tägliche Arbeit des Fahrradkuriers nachgespielt. Über die Stadt verteilt sind nacheinander verschiedene Checkpoints anzufahren, dort sind kleine Aufgaben zu erfüllen oder Sendungen von einem Checkpoint zum anderen zu transportieren. Bei einer solchen Fahrt von bis zu 50 Kilometern Länge zählt einerseits die Geschwindigkeit, wobei gute Orientierung im Stadtraum die Grundlage darstellt, um möglichst wenig Umwege zu fahren. Andererseits geht es auch darum, die Aufgaben korrekt zu erfüllen. Die Aufgabenstellung erfolgt beim Start des Rennens in Form der Aushändigung des so genannten „Manifests“. Darin sind die anzufahrenden Checkpoints und Aufgaben aufgelistet.
Organisatoren von Alleycats gestalten oft Spokecards, mit der sich Teilnehmer ihre Startnummer zwischen die Speichen klemmen. Im Anschluss an ein Alleycat entscheidet die Rennleitung über die Platzierung der Teilnehmer. Es gibt oft Sonderwertungen für „out-of-towner“, Frauen sowie einen Trostpreis für den „DFL“, den „dead fucking last“. Die an der Szene orientierte Wirtschaft, vor allem Unternehmen, die ihre Marken hier platzieren wollen, haben Alleycats längst für Marketingzwecke erkannt. Sie sponsern daher gern Sachpreise, die als Preise winken.
Besonders bekannte, zumeist jährlich stattfindende Alleycats gibt es in Hamburg (Punk Saulopoly), Hannover (Maikätzchen) und vor allem in Nordamerika, etwa New York (Monstertrack, Cranksgiving). Sie werden seit vielen Jahren durchgeführt und sind oft das Ziel von (Gruppen)reisen. Das so genannte „global gutz“-Alleycat findet seit 2000 einmal im Jahr in vielen Städten weltweit gleichzeitig statt. Lokale Organisatoren können sich online dafür registrieren, die „offizielle“ Spokecard herunter laden und die lokalen Ergebnisse des Rennens online stellen, das über 21 km bzw. 13 Meilen und fünf Checkpoints geht.
Eine weitere Sonderform von Rennen ist das Rollerracing. Auf zwei Fixed Gear Fahrrädern, die auf einer Rolle laufen, treten Fahrer gegeneinander an. Ein Computer misst die Zeit, in der eine vorgegebene virtuelle Strecke zurückgeleget wird. Im Turniermodus werden die schnellsten Fahrer ermittelt. Rollerracing ist ein geselliges Event mit hohem Unterhaltungswert, Zuschauer feuern die Fahrer traditionell lautstark an.
Nachdem sich in den vergangenen Jahren ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Fixed Gear Trend herausbildete, spielt die Vermarktung eine große Rolle. Viele Firmen etablieren ihre Marke bewusst in und um die Szene herum. Ausdruck findet diese Strategie einerseits im Sponsoring, andererseits darin, dass die Fixed Gear Szene aktiv in die Ausgestaltung von Messeveranstaltungen mit einbezogen wird. Dieser Einbezug nimmt unterschiedliche Ausmaße an, reicht von der Verteilung von Freikarten über den Ausschank von Freibier an Messeständen bis hin zur Überlassung der Organisation eines Rahmenprogramms, etwa von Ausfahrten, Rennen oder Rollerracing-Events.
Treffpunkte
Da für die Fixie-Szene Mobilität eine wesentlich größere Rolle spielt als für andere Jugendszenen, spielen Treffpunkte eine eher untergeordnete Rolle.
Wie unter History beschrieben, blickt die Fixie-Szene auf einer Tradition des Fahrradkurierwesens zurück. Zu Zeiten, in denen die Szene ausschließlich aus Fahrradkuriere bestand spielten meist bestimmte öffentliche Plätze oder Parks in den Innenstädten von Großstädten eine wichtige Rolle als Treffpunkte. Nur zu regelmäßig stattfindenden Events (siehe Rituale) kann heute erwartet werden, andere Szeneangehörige anzutreffen. Szene-Treffpunkte werden daher eher situativ verabredet. Neue Medien wie Facebook oder What’s app finden dabei Verwendung.
Medien
Die wichtigsten Medien für die Fixie-Szene sind digital. Für die lokale Vergemeinschaftung spielen insbesondere soziale Netzwerke wie Facebook eine wichtige Rolle, überregional eher Blogs, von denen inzwischen eine fast unüberschaubare Anzahl existiert, sowie Videoportale.
Blog-Autoren tragen die Neuigkeiten im Netz zusammen, reisen oft aber auch selbst durch die Welt, fotografieren und schreiben über lokale Gruppen in verschiedenen Städten und pflegen so themenbezogene Kontakte. Neben Berichten von Gruppen und Events werden vor allem neue Fahrradteile, Mode, Bücher und Accesoires vorgestellt. Die Abgrenzung zwischen Blogs und gedruckten Zeitschriften fällt manchmal schwer, aus Blogs werden oft Zeitschriften und andersherum.
Die meisten Blogs, Videos, Bücher und Zeitschriften, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, tun das oft in ästhetisch betont ansprechender Art und Weise. Bücher wie „Global Fixed Gear Culture“ von Edwards und Leonard (2009) oder das achtmal pro Jahr erscheinende und weltweit vertriebene Magazin „Rouleur“ (www. rouleur.cc) und das „Fixed Mag“ aus London (http://fixed-mag.tumblr.com) sind sehr aufwändig gestaltet, betonen künstlerische Fotografie und werden auf besonders hochwertigem Papier gedruckt. 2011 kamen einige weitere Zeitschriften dieser Art auf den Markt, etwa das „Fixie Magazine“ aus den USA (http://fixiemagazine.com) oder „Steel. Fixed gear and single speed quarterly“ aus Paris (http://www.steelmagazine.fr) sowie „fixed and what“ aus Österreich (http://www.fixedandwh.at), das zuvor in Form eines Blogs erschien. Weit verbreitet ist auch das japanische „Loop Magazine“, das trotz japanischer Sprache weltweit gelesen, oder zumindest angesehen wird (http://www.loopmagazine.jp). Diese international vertriebenen Zeitschriften sind in Deutschland meist nur über spezialisierte Händler, meist Fahrradläden, zu bekommen.
Im deutschsprachigen Raum erscheint das „Spoke Magazine“ seit 2010 viermal pro Jahr (http://www.spokemag.de). Es wird über den Zeitschriftenhandel vertrieben und ist als „Magazin für urbane Fahrradkultur“ nicht exklusiv auf Fixed Gear beschränkt, ähnlich wie das viermal jährlich erscheinende „urban velo“ aus den USA (http://urbanvelo.org). Dennoch beziehen sich fast alle Beiträge und ein Großteil der darin enthaltenen Werbung auf Fixed Gear.
Ein wichtiger Schwerpunkt liegt auf Fotografie und Film, die Motive sind insbesondere außergewöhnliche Fahrrad-Gestaltungen, ästhetischen Details, sowie immer wieder auch kompliziert aussehende Tricks mit dem Fahrrad. Werbung spielt eine große Rolle, entweder in Form von Anzeigen oder in Form einer redaktionell bearbeiteten Vorstellung neuer Produkte.
Seit einigen Jahren ist das Thema Fixed Gear auch im Kino angekommen. Den Kontext bildet die von Amerika ausgehende Verbreitung von „bicycle film festivals“. Im Hollywood-Blockbuster „premium rush“ (http://www.premium-rush.de) stehen Stunts mit dem Fixie im Zentrum, Der eher dokumentarisch angelegte Film „to live and ride in L.A.“ (http://www.trafikpictures.com/tlr/) zeigt die Fixie-Community in Los Angeles.