Szeneprofil:
Beauty-Gurus
Intro
Bei den ‚Beauty-Gurus‘ handelt es sich mehrheitlich um Mädchen und junge Frauen sowie vereinzelt auch um Jungen und junge Männer, die ihr außerordentliches Interesse an Schönheits- und ‚modischen‘ Themen in Form von selbstproduzierten ‚Beauty-Videos‘ bzw. Schönheitsratgebervideos auf dem Internet-Clip Portal YouTube ausdrücken. Die Beauty-Gurus verfügen auf der Plattform über individuelle Nutzerprofile, sogenannte ‚Beauty-Channels‘ oder ‚Schönheits-Kanäle‘, auf denen sie in regelmäßigen Abständen Videobeiträge veröffentlichen. In diesen präsentieren sie in der häuslichen Atmosphäre ihres Jugend-, Wohn-, Schlaf- oder Badezimmers kürzlich erstandene Einkäufe von Bekleidung über Kosmetika bis hin zu dem eigenen Aussehen oder Wohlbefinden zuträglichen Lebensmitteln. Sie geben Schmink-, Pflege- sowie Einkaufstipps und berichten von ihren positiven oder negativen Erfahrungen mit den gezeigten Produkten. Damit erreichen die Beauty-Gurus hunderttausende ZuschauerInnen, die alle Teil der ‚Beauty-Community‘ resp. der ‚Beauty-Szene‘ auf YouTube sind.
Die Bezeichnung der Beauty-Elite als ‚Gurus‘ leitet sich in seiner Bedeutung aus dem Hinduismus ab. Innerhalb des Hinduismus, fungiert der Guru als Verkörperung eines göttlichen Wesens, das die Unwissenheit respektive die geistige Finsternis (gu) einer Anhängerschaft mit spiritueller Erleuchtung (ru) vertreibt. Der aus dem Sanskrit stammende Ausdruck wird im heutigen Indien zur allgemeinen Bezeichnung eines Lehrers verwendet und steht im weiteren Sinne für jede verehrte Autorität. Übertragen auf die Beauty-YouTuberInnen bedeutet die Bezeichnung als ‚Guru‘ weiter gefasst die (Selbst-) Ernennung zu einem Experten/ einer Expertin in dem Themengebiet Schönheitspflege, die/der ihrer/ seinen Zuschauern Schminktechniken lehrt und in Modefragen berät (vgl. Roth 2013: 8). Dabei verfügen die Beauty-Gurus über ein inhaltlich ausdifferenziertes Angebot an Videothemen:
‚Beauty-Tutorials‘ sind Anleitungsvideos, die vornehmlich die optische Verschönerung avisieren. Sie zeigen kleinschrittig und leicht nachvollziehbar Verfahrensweisen des Schminkens, Frisierens oder Fingernägel Lackierens. In ‚Haul‘-Videos präsentieren die Beauty-Gurus ihren ZuschauerInnen ihre ‚Beute‘ (englische Übersetzung für ‚Haul‘) und damit die von ihnen kürzlich gekauften Kosmetik- und Bekleidungsartikel sowie modische Accessoires. Bei dem ‚Outfit of the Day‘ (OOTD) werden alle im Video getragenen Kleidungsstücke in ihrer Kombination gezeigt. Eine Video-‚Review‘ (dt. ‚Rezension‘) dient dazu, die Nützlichkeit, Qualität und bestmögliche Verwendungsweise eines bestimmten Produktes zu beurteilen. Mit ‚Do-it-yourself‘-Videos (DIY) wird dem Publikum vorgeführt, wie Pflegeprodukte – zum Beispiel Gesichtsmasken oder Haarkuren – mit Haushaltsmitteln selbst hergestellt werden können. ‚Follow-me-around‘-Videos (FMA) sind ein Sub-Genre, bei der sich die Beauty-Gurus mit der Kamera in der Hand und außerhalb ihres „Heimstudios“ beispielsweise beim Einkauf in Warenhäusern oder auf Kurzreisen in andere Städte filmen (vgl. Roth 2013: 58ff.). Die Verehrung der Beauty-Gurus durch ihre Anhängerschaft kann sogar so weit gehen, dass einzelne von den VideomacherInnen innerhalb der Beauty-Community einen starähnlichen Status zugeschrieben bekommen (vgl. Schumacher 2011: 155; Roth 2013: 23ff.).
History
Bei der eingangs beschriebenen Verbreitungsform der Beauty-Videos auf dem Internetportal YouTube, welches seit 2005 unter dem Motto „Broadcast Yourself“ („Sende Dich selbst!“) eine Plattform zur Präsentation eigens erstellter Medienstücke bietet, handelt es sich um ein neuartiges und wissenschaftlich weitestgehend unerforschtes Phänomen (vgl. Roth 2013: 1ff.). Die Anfänge der dazugehörigen Bewegung lassen sich nur mit Bezugnahme auf journalistische Medien bestimmen. Die Beauty-Clips sind Teil der sogenannten Beauty-Bewegung auf YouTube, welche sich im Jahr 2008 in den USA entwickelte und schließlich auch in Europa ihre Verbreitung fand (vgl. Keats 2012: 86). Bislang existieren keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse darüber, wer als erster amerikanischer Beauty-Guru mit dem Videoformat begonnen hat. Dies ist – abgesehen von der Dynamik von Moden und Trends – insbesondere der charakteristischen Schnelllebigkeit des Internetportals geschuldet, in dem fortwährend neue Beauty-Gurus hinzukommen, während andere wiederum aufhören (vgl. Roth 2013: 65). Lediglich die in der Szene bekanntesten und erfolgreichsten Beauty-Gurus lassen sich benennen; woraus aber nicht gefolgert werden darf, dass es sich hierbei auch um die ersten Beauty-VideoproduzentInnen handelt. Richtungsgebend bleibt der amerikanische Online-Markt. Zu den bekanntesten amerikanischen Beauty-Gurus in der Szene zählen die Schwestern Elle und Blair Fowler, die unter den Pseudonymen AllThatGlitters21 und JuicyStar07 agieren sowie Michelle Phan, die einen gleichnamigen Beauty-Kanal betreibt (vgl. Keats 2012: 3). Der szenebekannteste deutschsprachige und zudem männliche Guru ist Sami Slimani, der unter dem Nutzernamen HerrTutorial Beauty-Videos produziert (vgl. Krachten/Hengholt 2011: 145ff.).
Literatur & Links
Keats, Emily S. (2012): Exploring Haul Videos on YouTube: A Collective Case Study Approach. Online-Ressource unter: http://digitool.library.colostate.edu///exlibris/dtl/d3_1/apache_media/L2V4bGlicmlzL2R0bC9kM18xL2FwYWNoZV9tZWRpYS8xNzAzMzY=.pdf [27.01.2014].
Krachten, Christoph/ Hengholt, Carolin (2011): YouTube. Erfolg und Spaß mit Online-Videos. Heidelberg: dpunkt.
Lehmann, Ann-Sophie (2011): Bügeln, Töpfern, Zeichnen, oder: How to YouTube Videos kreativer Praxis als Vermittlung und Performanz impliziten Wissens. In: Julia Schumacher und Andreas Stuhlmann (Hrsg.): Hamburger Hefte zur Medienkultur, Heft 12, Videoportale: Broadcast Yourself? Versprechen und Enttäuschung, S. 137-151.
Roth, Viktoria (2013): Beauty-Gurus auf YouTube – Eine online-offline-ethnografische Analyse zu einer neuen Vergemeinschaftungsform. In Bearbeitung.
Sauer, Moritz (2010): Blogs, Videos und Online-Journalismus. Köln: O’Reilly.
Schumacher, Julia (2011): „Das Reale am Web 2.0“. Amateurvideoproduktion mit professionellem Selbstanspruch. In: Julia Schumacher und Andreas Stuhlmann (Hrsg.): Hamburger Hefte zur Medienkultur, Heft 12, Videoportale: Broadcast Yourself? Versprechen und Enttäuschung, S. 153-170.
Strukturen
Da sich die Szene über das Internet – und im Speziellen über das Videoclip-Portal YouTube, konstituiert – kann potenziell jede/r, sofern er oder sie über einen Internetzugang verfügt und das nötige Kameraequipment besitzt, Beauty-Clips drehen und diese eigenaktiv auf dem persönlichen YouTube-Beauty-Kanal platzieren. Das von den Beauty-Gurus angewandte Vokabular zur Beschreibung der in den Videos gezeigten Schönheitsprodukte und die konventionalisierten Präsentationstechniken zur Ausstellung dieser (siehe hierzu den Punkt ‚Rituale‘) sind für Außenstehende über die mehrfache Betrachtung der Clips leicht erlernbar (vgl. Roth 2013: 65).
Innerhalb der Beauty-Community zeichnen sich hierarchische Unterschiede zwischen den einzelnen Beauty-Gurus ab, die auf ihre ZuschauerInnen- bzw. AbonnentInnenzahl zurückzuführen sind. Die Anzahl der AbonnentInnen, die über jede Kanalseite eines Gurus nachvollzogen werden kann, wird von den VideoproduzentInnen als eine zentrale Bezugsgröße herangezogen, um sich mit anderen in der Szene zu vergleichen. Zudem bemisst sich an dem AbonnentInnenstamm der Bekanntheitsgrad und damit wiederum der Erfolg eines Beauty-Gurus. Als populär gelten in der Beauty-Community diejenigen VideoproduzentInnen, die mindestens fünfstellige AbonnentInnenzahlen vorweisen. Einige von ihnen avancieren innerhalb der medialen Eigenwelt YouTubes sogar zu Berühmtheiten oder Stars, mit denen die anderen Beauty-VideoproduzentInnen und die ZuschauerInnen in vergleichbarer Weise umgehen wie mit Prominenten aus Film und Fernsehen. So werden auf den AbonnentInnen-Treffen, bei denen die RezipientInnen der Beauty-Videos die Möglichkeit haben die Beauty-Gurus persönlich kennen zu lernen, szenebekannte YouTuberInnen um gemeinsame Fotos oder in einzelnen Fällen auch um Autogramme gebeten (vgl. Schumacher 2011: 155; Roth 2013: 23f.; 67ff.).
Facts & Trends
Neben einigen wenigen männlichen Videoproduzenten sind es überwiegend Mädchen und junge Frauen, die sich der Öffentlichkeit mit ihren eigenhändig gedrehten Beauty-Videos präsentieren. Die Zahl der weltweit auf dem Videoclip-Portal YouTube agierenden Beauty-Gurus ist mittlerweile kaum noch messbar. Da stets neue Beauty-VideoproduzentInnen auf YouTube Kanäle gründen, andere hingegen infolge negativer Kommentare oder zu wenig Beachtung ihre Medienproduktion und Channels (wieder) einstellen, zeichnet sich die Szene durch eine ständige Fluktuation ihrer Mitglieder aus (vgl. Roth 2013: 37). Unter den Beauty-Gurus reicht die Altersspanne von etwa 12 bis 30 Jahren, wobei die Rezipienten der Beauty-Kanäle ein jüngeres Durchschnittsalter aufweisen. Der Großteil von ihnen ist der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung zufolge zwischen 13 und 17 Jahre alt, ein kleinerer Anteil setzt sich aus Frauen bis etwa Mitte 30 zusammen (vgl. Roth 2013: 67). Die Zusammensetzung der Gruppe der VideoschöpferInnen beschränkt sich auf kein formales Bildungsniveau: Einige von ihnen befinden sich in der schulischen, beruflichen oder akademischen Ausbildung oder haben diese bereits abgeschlossen. Andere wiederum sind arbeitslos und/oder finanzieren sich ausschließlich von ihrer Beauty-Videoproduktion (vgl. Roth 2013: 67).
Relations
Die Ästhetik der (Selbst-)Inszenierung in den Beauty-Videos ähnelt dem formalen Aufbau von Videoblogs (in verkürzter Weise „Vlog“ oder als Tätigkeitsform „Vlogging“). Der Videoblog ist eine Zusammenführung aus den Begriffen Video und Blog und bezeichnet ein digitales Tagebuch, bei dem in regelmäßigen persönlichen Videobeiträgen eigene Erfahrungen mitgeteilt, Meinungen und Gedanken geäußert sowie Themen diskutiert werden (vgl. Sauer 2010: 22f.). In den Videoblogs stehen die ProtagonistInnen im Vordergrund, die sich in ihren privaten Räumlichkeiten filmen und dabei ihr Publikum direkt ansprechen (vgl. Schumacher 2011: 158f.). Darüber hinaus weisen die Beauty-Videos ebenfalls Parallelen zu sogenannten How-to-Formaten auf YouTube auf. Diese sind Ratgebervideos mit Anleitungen zu alltagsrelevanten Handlungen wie Bügeln oder Kochen sowie zu Freizeitbeschäftigungen wie Töpfern oder Zeichnen (vgl. Lehmann 2011: 137ff.).
Fokus
Bei den Beauty-Gurus handelt es sich um eine Szene, die auf Grundlage des gemeinsamen Interesses an den Themen Schönheitspflege und Modetrends sowie durch die Aktivitäten des Kaufens und Verbrauchens eine Teilzeit-Gemeinschaft bildet. Diese von der größeren Online-Community YouTubes abgrenzbare Beauty-Szene bietet einen (virtuellen) Raum, in dem sich weibliche und männliche Kosmetik- und Modeinteressierte zusammenfinden, um ihre Leidenschaft für Make-up, Accessoires und angesagte Kleidungsstücke zu teilen. Demnach stehen in den Beauty-Videos meist Konsumgegenstände (Gesichtsmasken, Lippenstifte, Schuhe) im Mittelpunkt. Ihre Eigenschaften, Anwendung und Funktionen werden von den Gurus unter Benennung des spezifischen Produkt- und Herstellernamens, der Bezugsquelle und des Preises präsentiert sowie hinsichtlich ihrer Qualität bewertet. Voraussetzung für die Zurschaustellung der diversen Produkte in den Beauty-Videos ist also die Anschaffung oder der Besitz dieser (vgl. Keats 2012: 59ff.; Roth 2013: 79).
Neben den Produktinformationen und Anwendungsratschlägen leben die Beauty-Videoformate aber auch von der (Video-) Präsenz, dem Darstellungshandeln und der persönlichen Selbstauskunft der einzelnen Beauty-Gurus. Denn auf Grundlage des in den Videos Gezeigten und Gesagten (zum Beispiel das Auftreten und Erscheinungsbild, das Alter und Geschlecht, die Diktion oder der inhaltliche Gehalt des Artikulierten) entscheidet die Zuschauerschaft, ob sie den jeweiligen Guru für interessant, sympathisch oder authentisch erachtet und diesem weiterhin auf YouTube folgen will, um sie/ihn weiterhin als Vorbild zu behalten (vgl. Roth 2013: 62ff.).
Eine positive subjektive Einschätzung und Bewertung der Videoauftritte durch die RezipientInnen ist für die Beauty-Gurus von grundlegender Bedeutung, da ein zentraler Aspekt ihrer Aktivität auf dem Video-Portal darin besteht, möglichst viele ZuseherInnen zu erreichen. Einen Überblick über die ZuschauerInnenzahl stellt dabei die plattforminhärente Struktur sicher: Denn die Anzahl der AbonnentInnen eines Gurus – also derjenigen registrierten Mitglieder auf YouTube, die einen Beauty-Kanal abonniert haben – ist über die individuelle Kanalseite des jeweiligen Beauty-Gurus für jede/n sichtbar und damit nachvollziehbar. Die AbonnentInnenzahl ist innerhalb der Beauty-Community ein bedeutender Erfolgs- und Vergleichsmaß-stab (vgl. Roth 2013: 47ff.; 68). Zudem steht die Zahl der Abonnements in einem Zusammenhang mit Gelderträgen, die mit selbstveröffentlichten Videos erzielt werden können. Mit einer höheren ZuschauerInnenanzahl steigt die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme in das Partnerprogramm YouTubes, bei dem jedes Anklicken von Werbeanzeigen (die in oder neben den Beauty-Clips geschaltet werden) mit einem bestimmten Geldbetrag vergütet wird (vgl. Krachten/ Hengholt 2011: 154f.).
Einstellung
In der Beauty-Szene steht die optische Verschönerung im Vordergrund. Die Beauty-Gurus vermitteln, dass Jede/r – unabhängig von Alter, Körpergröße oder Gewicht – mit der entsprechenden Inspiration, Beratschlagung, Anleitung und den dazu notwendigen Konsumgütern attraktiv sein kann. Die Möglichkeit der Nachahmbarkeit der gezeigten Schönheitspraktiken wird dadurch unterstrichen, dass die Bezugsquelle, der Preis und die Warenbezeichnung mitsamt der Seriennummer des Produktes angegeben werden – dies erfolgt entweder verbal oder über Einblendungen in den Beauty-Videos. Die Artikel können somit auch von den ZuschauerInnen in Parfümerien, Drogerien, Supermärkten oder in Bekleidungsgeschäften erworben werden (vgl. Roth 2013: 59; 75ff.).
Die Selbstpräsentation der Beauty-Gurus mit Hilfe von Kosmetikprodukten und Modeartikeln setzt den Kauf, die Verwendung oder den Verbrauch verschiedener Konsumgüter voraus (vgl. Keats 2012: 9; 94ff.): So bedarf es beispielsweise für das Abfilmen eines Schminkanleitungsvideos, dem ‚Beauty-Tutorial‘, der dafür notwenigen Produkte wie Puderquasten, Lidschatten, Lippenstifte etc. Auch ‚Haul‘-Videos, in denen die (Aus-)Beute eines oder mehrerer Shopping-Raubzüge kollektiv präsentiert wird, können nur unter der Bedingung gedreht werden, dass die entsprechende Ware zuvor eingekauft wurde. An den Beauty-Videos zeigt sich somit eine bestätigende Grundhaltung der VideoproduzentInnen gegenüber der Konsumgesellschaft – einer Gesellschaft, in der dem Konsum von Gütern und der Inanspruchnahme von Dienstleistungen ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Dies fördert neben den vornehmlich positiven Kommentierungen durch Gleichaltrige resp. Gleichgesinnte auf dem Internetportal auch KritikerInnen innerhalb der Zuschauerschaft zutage, die das Konsumhandeln der Beauty-Gurus als übermäßig (im Vergleich zum herkömmlichen, als notwendig erachteten Ausmaß) beurteilen und ihnen ein Abhängigkeitsverhältnis von Firmen unterstellen (vgl. Schumacher 2011: 162; Keats 2012: 8f.). Letzteres liegt darin begründet, dass einige der VideoproduzentInnen kostenfrei Produkte von kommerziell orientierten Unternehmen zur Verfügung gestellt, also gesponsert bekommen, um diese in ihren Beauty-Clips zu präsentieren. Dies erfolgt in einzelnen Fällen, aber keinesfalls ausnahmslos, unter der Bedingung, der Benennung des Marken- und Firmennamens im entsprechenden Video. In der Beauty-Szene besteht eine Art ungeschriebener Ehrenkodex darüber, dass die Zuschauerschaft von Beauty-Gurus explizit darauf hingewiesen wird, sofern es sich bei den gezeigten Produkten nicht um eigens erstandene Waren, sondern um gesponserte Artikel handelt. Dies soll die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit ihrer Aussagen garantieren. Firmen aus eigenem Interesse zu kontaktieren, um Zuwendungen in Form von Sachleistungen zu erhalten, ist unter den Beauty-Gurus verpönt und wird nach eigenen Aussagen nicht praktiziert (vgl. Roth 2013: 38ff.; 47ff.).
Lifestyle
Die Produktion der Beauty-Videos und der kommunikative Austausch innerhalb der Beauty-Community sind eine zeit- und kostenintensive Tätigkeit. So beansprucht insbesondere die Nachbearbeitung des Videomaterials viel Zeit. Denn erst, wenn der Beauty-Clip anspruchsgerecht geschnitten, mit Musik hinterlegt oder durch Schrifteinblendungen ergänzt wurde, veröffentlichen die VideoproduzentInnen diesen auf YouTube (vgl. Roth 2013: 8f. und 57f.). Darüber hinaus ist es für die Gurus auch zeitaufwändig, den Kontakt zu anderen Beauty-VideoproduzentInnen und ihren ZuschauerInnen aufrechtzuerhalten. Die Kommunikation unter den Szenemitgliedern erfolgt meist digital: Sie beantworten Fragen, die ihnen per E-Mail zukommen oder gehen auf Kommentare unter ihren Videos ein (vgl. Roth 2013: 31ff.). Kostenintensiv ist die Aktivität als Beauty-Guru, da für einige der Clips neue Kosmetik oder Bekleidung gekauft werden muss (vgl. Keats 2012: 99f.). Indem die VideoproduzentInnen aktuelle Modetrends aufgreifen und diese innerhalb ihrer Beauty-Community verbreiten, finden sich unter ihnen daher auch ähnliche Kleidungsstile und Produktpräferenzen. Das Erscheinungsbild der vornehmlich weiblichen Beauty-Gurus zeichnet sich dadurch aus, dass sie entsprechend ihres Interesses für Kosmetik und Mode markantgeschminkt sind und hinsichtlich ihres Kleidungsstils stets dem aktuellen Zeitgeschmack folgen. Letzteres gilt ebenso für die männlichen Gurus unter ihnen, die aufgrund ihres Modebewusstseins und ihrer Begeisterung für Pflegeprodukte ein gestyltes Äußeres aufweisen. Aufgrund dessen, dass die VideoproduzentInnen gleichfalls die RezipientInnen anderer Schmink- und Pflegevideos sind, reproduzieren sie Trends durch den Nachkauf von empfohlenen Produkten anderer Beauty-Gurus. Die geweckte Neugier durch die Rezeption der Warenempfehlungen anderer VideoproduzentInnen und das Entfachen des Interesses für einen Modetrend werden in der Szenesprache der deutschen Beauty-Gurus als ,anfixen‘ bezeichnet (vgl. Roth 2013: 60f.; 80).
Symbole
Innerhalb der Beauty-Community YouTubes stehen die Beauty-Kanäle und das Pseudonym, unter dem die VideoproduzentInnen agieren, kennzeichnend für die Beauty-Gurus. Die Eigenzuschreibung der YouTube-NutzerInnen als Gurus zu dem Thema „Beauty“ wird zum einen über die selbstbeschreibenden und gestalterischen Elemente auf dem persönlichen Beauty-Kanal erkennbar; zum anderen sind die regelmäßig veröffentlichten Videos und die darin gezeigten Darstellungspraktiken mit Schönheits- und Pflegeprodukten an sich charakteristisch für einen Beauty-Guru (vgl. Roth 2013: 11). Fernab dieses virtuellen Umfeldes sind die Beauty-Gurus im öffentlichen Alltagsleben für außenstehende BeobachterInnen daran erkennbar, dass sie sich auf der Straße oder in Modegeschäften mit Aufnahmegeräten aufzeichnen und dabei über eine Video-, Foto- oder Handykamera zu einem imaginierten Publikum reden. Auch auf gruppeneigenen Zusammenkünften (siehe hierzu auch den Punkt ‚Treffpunkte‘) sind die Szenemitglieder für Unbeteiligte und Unwissende dadurch identifizierbar, dass sie sich gegenseitig in die Kamera sprechend filmen (vgl. Roth 2013: 18ff.; 34ff.; 70ff.). Außerhalb dieser Szene-Treffen und ohne die Kamera als wesentliches Erkennungszeichen ist es jedoch schwierig, die Beauty-Gurus als solche herauszustellen.
Rituale
Die Internetauftritte der Beauty-Gurus zeichnen sich alle durch eine spezifische Abfolge aus: Die durchschnittlich bis zu zwölf Minutenumfassenden Clips beginnen alle mit einer kurzen Einführungssequenz, die in den meisten Fällen rituell mit einer individuellen, sich direkt an das Publikum richtenden Begrüßungsphrase beginnt. Daraufhin folgt eine Ankündigung der ProtagonistInnen über den jeweiligen Videoinhalt. Der Hauptteil beinhaltet das eingangs anmoderierte Vorhaben, das in Abhängigkeit von dem Thema des jeweiligen Clips variiert. Als Abschluss erfolgt eine sehr kurze Verabschiedungssequenz, in der meist das Endergebnis der Schönheitsprozedur zur Begutachtung vorgeführt und um die schriftliche Stellungnahme der ZuschauerInnen in Bezug auf das Gezeigte gebeten oder auf nachfolgende Clips verwiesen wird (vgl. Schumacher 2011: 160; Roth 2013: 58). Außerdem verwenden die Beauty-Gurus in ihren Videos ein gemeinsames Vokabular zur Bezeichnung der Kosmetikprodukte und rekurrieren auf analoge Handgriffe zur Demonstration derselben. Bei der Präsentation von Körperpflege- oder Schönheitsmitteln wird beispielsweise zwischen teurer ‘High-End‘-Kosmetik aus der Parfümerie und günstigen Drogerieprodukten unterschieden. Drogerieartikel, die qualitätsmäßig an Produkte bekannter Kosmetikfirmen heranreichen, werden als ‘Dupes‘, im Sinne von Duplikaten, bezeichnet. Zusätzlich zu der Beschreibung der Ware kann sich die Zuschauerschaft einen Eindruck von dem Produkt verschaffen, indem es von den Beauty-Gurus auf dem Handrücken als Musterstreifen oder – wie es von ihnen bezeichnet wird – als ‘Swatch‘ aufgetragen wird. Zur Vorführung der Verpackung des Pflege- oder Schminkartikels wird der Gegenstand mit einer Hand nah in die Kamera gehalten, wobei die Handfläche der freien Hand hinter die Ware positioniert wird, damit der Autofokus des Aufnahmegerätes den Gegenstand in Schärfe einfangen kann (vgl. Schumacher 2011: 164; Roth 2013: 61). Ebenso bieten die Gurus über ihre Kanalseite regelmäßige Gewinnspiele an, bei denen die VideoproduzentInnen Schminkutensilien oder Bekleidungsstücke unter ihren ZuschauerInnen verlosen, um sich auf diese Weise für das Abonnieren ihrer Beauty-Kanäle sowie das regelmäßige Betrachten, Bewerten und Kommentieren ihrer Videos zu bedanken (vgl. Schumacher 2011: 166).
Events
Einige Beauty-Gurus erzielen mit ihren Clips derart hohe ZuschauerInnenzahlen, dass auch über die Grenzen der Videoplattform Youtube und der Beauty-Szene hinaus Kosmetik- und Modekonzerne auf sie aufmerksam werden. Die Firmen stellen den Beauty-Gurus nicht nur kostenlos Probeprodukte zur Verfügung, sondern laden bekannte VideoproduzentInnen auch zu Filmpremieren, Ladeneröffnungen, exklusiven Produktvorstellungen oder Modenschauen ein. Ihre persönlichen Einblicke in die verschiedenen Events wie zum Beispiel die Berlinale oder die New York Fashion Week teilen die Gurus wiederum durch die vor Ort gedrehten und schließlich auf YouTube veröffentlichten Beauty-Videos mit ihrem Publikum (vgl. Keats 2012: 6).
Treffpunkte
Das Internetportal ist der zentrale (virtuelle) Treffpunkt, an dem sich Kosmetik- und Modeinteressierte zusammenfinden, miteinander in Kontakt treten und austauschen können. Die Kommunikation findet aber nicht wie in Face-to-Face-Interaktionen durch die gleichzeitige Anwesenheit von Personen statt, sondern mittels der Beauty-Videos (vgl. Roth 2013: 9). Ein Beispiel für die Kommunikation der Beauty-Gurus durch ihre Videoprodukte sind die zahlreichen Reihenvideos – die sogenannten ,Tags‘, die sich von dem englischen Verb „to tag along“ ableiten und in deutscher Übersetzung „mitkommen“ oder „mitmachen“ bedeuten. Ausgehend von einem Beauty-Guru wird ein Fragenkatalog zu bestimmten Themen wie „What’s in My Bag“ („Was ist in meiner Handtasche“) oder „Seven Deadly Sins of Beauty“ („Sieben Modesünden“) ausgearbeitet, der im Rahmen eines Clips sowohl von dem Initiator oder der Initiatorin als auch in Form von Anschlussvideos weiterer Beauty-VideoproduzentInnen beantwortet wird (vgl. Schumacher 2011: 164; Roth 2013: 41f.).
Wenngleich der zentrale Treffpunkt der Gurus die Plattform YouTube ist, reicht die Beauty-Szene darüber hinaus und aufgrund von privaten Treffen einzelner VideoproduzentInnen oder der regelmäßig stattfindenden Gruppentreffen auch in die jeweilige Lebenswelt hinein. Im Falle der Beauty-Guru-Szene in Deutschland gibt es zum Beispiel sogenannte YouTuberInnen- oder AbonnentInnen-Treffen. Dabei handelt es sich um bundesweite Zusammenkünfte in wechselnden Großstädten, sodass sich die VideoproduzentInnen persönlich begegnen und in diesem Rahmen sowohl untereinander neue Bekanntschaften schließen als auch ihre Zuseherschaft kennenlernen können. Diese Veranstaltungen sind immer ähnlich strukturiert: Die Beauty-Gurus versammeln sich bei dem von ihnen als YouTuberInnen-(Vor-)Treffen bezeichneten Ereignis zunächst unter Ausschluss ihrer RezipientInnen und verbringen einige Stunden wahlweise in einem Café oder Restaurant. Im Anschluss daran finden sich die Beauty-YouTuberInnen im Rahmen des AbonnentInnen-Treffens mit ihren ZuschauerInnen an einem vorab festgelegten und über ihre Clips mitgeteilten Versammlungsort zusammen. Verantwortung für die Planung und den Ablauf tragen ein oder mehrere Beauty-Gurus, die im Umkreis der jeweiligen Stadt, in der die Veranstaltung stattfindet, ansässig sind (vgl. Roth 2013: 18; 66ff.).
Medien
Die Beauty-Videos auf dem Internetportal YouTube stellen häufig nur einen Aspekt der medialen Präsenz der Gurus dar, denn sie sind ebenfalls auf anderen sozialen Netzwerkseiten wie Facebook, Twitter oder MySpace vertreten, betreiben parallel dazu ihre eigenen Mode-Blogs oder nutzen den Foto-Sharing-Service Instagram (eine App für internetfähige Mobilgeräte) zur Veröffentlichung ihrer Fotos und Videos.
Die Beauty-Gurus bedienen sich der plattforminhärenten Struktur YouTubes, um die Zu-schauerInnen zur Kommentierung und Bewertung („Daumen hoch“ oder „Daumen runter“) ihrer Videos aufzufordern und diese – sofern noch nicht erfolgt – zum Abonnieren ihres persönlichen Beauty-Kanals zu bewegen. Darüber hinaus regen die VideoproduzentInnen ihre Rezipientenschaft zu ergänzenden Online-Aktivitäten via Facebook, Twitter oder MySpace an. Diese nutzen sie zur Verbreitung ihres (Video-)Angebots und zur Kontaktaufnahme mit ihren AbonnentInnen. So verweisen sie über das Freunde-Netzwerk Facebook oder den Mikroblogging-Dienst Twitter auf ihre aktuellen Beauty-Videos oder erfragen bei ihrem Publikum, welches Videothema dieses als nächstes gerne anschauen möchte (vgl. Schumacher 2011: 166; Keats 2012: 7; Roth 2013: 74). Einige der Beauty-Gurus betreiben sogar eigene Online-Shops, über die sie einen Teil der in ihren Beauty-Videos gezeigten Produkte (zum Beispiel selbst gefertigten Schmuck) verkaufen (vgl. Roth 2013: 55f.).